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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Die zweite Geschichte des gol: Revitalisierung durch Tourismus<br />

eingehalten wurden. Hier wurde mir in der Tat von vielen Seiten übereinstimmend<br />

berichtet, daß die Männer der anglikanischen Mission mehrere batsi Matten<br />

auf das Podest der Queen gelegt hätten, die sie und ihre Begleiter dann mit<br />

den Füßen betraten, was, zumindest in den Augen der kastom Leute, ein echtes<br />

Sakrileg darstellt und als ernstzunehmender Grund für den Unfall gelten kann.<br />

Das Geheimnis um Mark Sonmaks Tod kann heute nicht mehr gelöst, ja nicht<br />

einmal wenigstens die Vorgänge genau rekonstruiert werden. Vielleicht ist es<br />

mir aber gelungen, Jollys einseitigem Bild, zumindest ein paar neue Aspekte<br />

hinzugefügt zu haben.<br />

Es dürfte deutlich geworden sein, daß sich das Wissen um das Turmspringen<br />

nicht nur in Bunlap allein gehalten hat. Allerdings ist das gol, das die Männer<br />

um Kiliman seit fünfzig Jahren veranstalten, ein gutes Beispiel dafür, wie eine<br />

so hochkomplexe Veranstaltung auf das rein technische Wissen über die Durchführbarkeit<br />

reduziert werden kann, während gleichzeitig ein „ursprünglicher“<br />

Sinnhorizont offenbar verlorengeht. Ich war mit der hohen Erwartung zu Kiliman<br />

nach Point Cross marschiert, ein paar neue Aspekte zum Ursprung der Veranstaltung,<br />

zu Mythen oder Liedern und Tänzen zu erfahren, wurde darin aber<br />

weitgehend enttäuscht. Kilimann konnte lediglich bestätigen, daß man nur ein<br />

einziges gol im Jahr durchführen solle. Er kannte zwar den in Kap. 9.1 beschriebenen<br />

Mythos und hatte von der besonderen Wichtigkeit des bereits in Kap. 13.7<br />

beschriebenen Liedes „Mele ai“ gehört. Warum genau dieses Lied allerdings so<br />

bedeutsam sein soll, vermochte er schon nicht mehr zu sagen. Auch über die<br />

vermeintlichen Zusammenhänge zwischen gol und Fruchtbarkeit der Yams wußte<br />

er nichts. Kiliman gab vielmehr sehr offen zu, dass er eigentlich nichts Genaues<br />

über Herkunft und Bedeutung des gol sagen könne. Er habe sich die Sache<br />

eben weitgehend selbst beigebracht und könne lediglich den Turm errichten, den<br />

Jungen zeigen wie man springe und ein paar Tänze aufführen. Sein offenes Eingeständnis<br />

korrespondiert mit Aussagen meiner Informanten aus Bunlap, denen<br />

zufolge in den letzten Jahren, nachdem die ursprünglich noch in kastom Dörfern<br />

aufgewachsenen Alten in Point Cross nach und nach gestorben waren, das Wissen<br />

um Mythen, Tänze und Gesänge wieder weitgehend verlorengegangen ist.<br />

Daher müssen die kastom Männer aus Bunlap heute aufs Neue einspringen und<br />

bei der Performanz der Tänze und Lieder, allerdings nicht beim Bau des Turmes,<br />

aushelfen.<br />

Die kommerziellen Veranstaltungen der Anglikaner aus Point Cross finden seit<br />

1985 im Verbund mit den katholischen Dörfern Wanur und Rantealing (Londar)<br />

in Wanur statt, weil die zahlenden Touristen dort besser mit dem Boot anlanden<br />

können, was in Point Cross aufgrund der rauhen See häufig schwierig ist. Zu der<br />

Zusammenarbeit kam es, weil die Katholiken in Wanur im Jahr 1985 mit dem<br />

Bau einer neuen Kirche beginnen wollten, und auf die Idee verfallen waren, einen<br />

Teil des dazu notwendigen Geldes mit der Veranstaltung eines Turmspringens<br />

einzunehmen. George Tatau, ein einflußreicher Mann aus Wanur, konnte<br />

sich mit Kilimann einigen und dieser organisierte in den Jahren 1985 bis 1987 in<br />

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