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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Prolog<br />

Ein Problem muß noch erwähnt werden, das auch Jolly beschreibt (1994b:17):<br />

alle Sa, Männer wie Frauen, haben mehrere Namen. Diese resultieren aus dem<br />

warsangul-Titelsystem: mit jedem Titel, den ein Mann oder eine Frau erwirbt,<br />

erhält er oder sie auch einen neuen Namen. Die Schwierigkeit ist nun die, daß<br />

diese Namen nicht immer auch tatsächlich geführt werden (vgl. Kap. 12.1).<br />

Während ich hier also manche Männer mit ihrem Geburtsnamen nenne, tauchen<br />

andere mit ihrem Titelnamen bzw. mit einer Kombination aus beidem auf. Ich<br />

habe mich hier stets für den Namen entschieden, mit dem eine Person von den<br />

anderen meiner Beobachtung zufolge am häufigsten gerufen wird.<br />

III. Datensammlung: Quellen, Aufnahme, Übertragung, Übersetzung<br />

Wo von Fragen und Antworten die Rede ist, liegt es nahe, ein paar Bemerkungen<br />

über die Verständigung mit meinen Partnern unter den Sa zu machen. Zu<br />

Beginn der Forschung erfolgte die Verständigung ausschließlich in Bislama, der<br />

lingua franca der Republik Vanuatu. Aufgrund der hohen Sprachdichte in der<br />

Region bestand bereits zu Zeiten der beginnenden Öffnung, Befriedung und Kolonialisierung<br />

der melanesischen Inseln, also schon vor mehr als einhundert Jahren,<br />

die dringende Notwendigkeit, eine Verkehrssprache einzuführen. Diese<br />

nahm dann, wie vorher schon in anderen Weltgegenden, etwa in China oder<br />

Ostafrika, rasch die Form eines grammatikalisch und morphologisch stark vereinfachten<br />

Englisch an 8 . Bislama ist eine lokale Spielart dieses Pidgin und daher<br />

den entsprechenden Varianten in Papua Neuguinea und auf den Salomonen eng<br />

verwandt. Der Wortschatz besteht hier aus englischen, französischen und austronesischen<br />

Elementen. Grammatik und Syntax lehnten sich mit der Zeit immer<br />

mehr an das Austronesische an (vgl. Crowley 1995; Tyron 2001). Die Annahme,<br />

daß Bislama als Hilfsmittel einer basalen Kommunikation „weit verbreitet“<br />

sei, wäre es eine Untertreibung. Bislama ist viel mehr als das, es ist die Nationalsprache<br />

des Landes. Ob Fernsehen, Radio oder Zeitungen, politische Diskussionen<br />

im Parlament oder das Schwätzchen auf dem Markt: in Vanuatu wird<br />

Bislama gesprochen, von einigen ganz seltenen Ausnahmen, etwa den Frauen in<br />

den kastom Dörfern, einmal abgesehen. Damit soll gesagt sein, daß Verständigung<br />

in Bislama nicht gleichbedeutend ist mit einem mühsam radebrechenden<br />

Austauschen von Allerweltsfloskeln. Bislama ist also für die Ni-Vanuatu, so<br />

nennen sich die Landesbewohner, keine Fremdsprache, sondern die Verkehrssprache,<br />

die überall im Land fließend gesprochen wird 9 . Dennoch sind abfällige<br />

Haltungen zu dieser Sprache sind nicht neu. Wilhelm Müller (1881-1916), Teilnehmer<br />

der Hamburger Südsee-Expedition von 1908-1910, hatte die Möglich-<br />

8 Der Begriff „Pidgin“ stammt zunächst aus der chinesischen Aussprache des englichen Wortes<br />

„business“ und entwickelte sich in China bereits ab dem 17. Jahrhundert.<br />

9 Manche Kinder wachsen sogar mit Bislama als erster Sprache auf. Dies ist jedoch überwiegend<br />

in der Hauptstadt Port Vila der Fall, wo manche Paare von Haus aus zwei unterschiedliche<br />

indigenen Sprachen sprechen und daher mit ihren Kinder von Beginn an Bislama sprechen.<br />

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