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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Titel, Magie, Geld, Rhetorik, Mut: Bemerkungen zum Ethos der Sa<br />

den zu sein. Für den Mentor wiederum kann es ein sehr einträgliches Geschäft<br />

sein, z. B. für einen mol Titel statt vier Schweinen, sechs zu erhalten. Tatsächlich<br />

liegen die Dinge jedoch noch komplizierter. Der Initiand kann nämlich, mit<br />

etwas Geschick, den Mentor auch dazu überreden, ihm eine bestimmte Anzahl<br />

Schweine für das Titelritual lediglich zu leihen. Wenn der Initiand seinem Mentor<br />

z.B. fünf Schweine für den Erwerb eines bumangari Titels bezahlen muß,<br />

selbst aber nur drei Schweine besitzt, kann er seinen Mentor bitten, ihm die anderen<br />

beiden Tiere für die Dauer des Rituals zu borgen, bei dem er sie dann zurückgibt.<br />

So ergibt sich offiziell eine Anzahl von fünf Schweinen als Bezahlung,<br />

während es ja tatsächlich nur drei sind, die in realiter vom Initianden auf den<br />

Mentor übergehen. Im Prinzip können alle Parteien von diesem System profitieren:<br />

für den Mentor ist es in der Regel von Vorteil, im Austausch für sein symbolisches<br />

Kapital wenigstens drei Schweine zu erhalten anstatt gar keines, weil<br />

der Titelkauf ansonsten nicht zustande kommen würde. Der Initiand hingegen<br />

wird in die Lage versetzt, den ersehnten Titel zu erwerben, auf den er ansonsten<br />

noch einige Zeit hätte warten müssen und wird so seinerseits für andere potentielle<br />

Titelanwärter als Mentor interessant. Es liegt also auf der Hand, daß ein<br />

klug taktierender Händler und geschickter Redner in einem derart flexiblen System<br />

besser und schneller aufsteigt als einer, der nur in geringem Maße die Initiative<br />

ergreift und geschickte Strategien für sein Fortkommen entwickeln kann.<br />

Wenden wir uns nun einem weiteren Weg zur Macht zu, dem Geld. Die kastom<br />

Sa leben unter Bedingungen einer vollständigen Subsistenzwirtschaft. Die<br />

Selbstversorgung mit allem Lebensnotwendigem wird lediglich in sehr beschränktem<br />

Masse durch den gelegentlichen Zukauf von Gütern ergänzt, die außerhalb<br />

von Pentecost hergestellt werden, so daß die kastom Sa sich insgesamt<br />

einer mehr oder weniger vollständigen ökonomischen Autonomie erfreuen. Man<br />

könnte daher argumentieren, daß sich in einer Gesellschaft, in der alle mehr oder<br />

weniger das Gleiche tun und besitzen, fundamentale materielle Unterschiede<br />

nicht herausbilden können. Ein solches Gleichgewicht mag, innerhalb des oben<br />

beschriebenen, teils durchaus flexiblen Rahmens, früher einmal bestanden haben,<br />

ist jedoch in den letzten Jahrzehnten ins Wanken geraten. Einige Männer in<br />

Bunlap haben nämlich Strategien entwickelt, die ihnen, jenseits des traditionellen<br />

Akkumulierens und Weitergebens von lokal hergestellten Gütern, einen besonders<br />

guten Zugang zu Geld ermöglicht haben. Betrachten wir einmal, welche<br />

Möglichkeiten es für die kastom Sa von Bunlap überhaupt gibt, zu Geld zu<br />

kommen: seit weiße Siedler bzw. Missionare vor etwa hundert Jahren begonnen<br />

haben, Kopraplantagen einzurichten, gibt es bezahlte Lohnarbeit auf der Insel.<br />

Auch im Jahre 2004 gab es noch Kopraplantagen, etwa unter der Leitung von<br />

Harry Wabak, einem einheimischen Geschäftsmann, der in Pangi lebt. Da die<br />

Kopraherstellung kaum noch lukrativ ist, sind die Löhne entsprechend schlecht:<br />

ein Tag Arbeit auf der Plantage bringt kaum mehr als ein paar hundert Vatu ein.<br />

Da es auf der unzugänglichen Ostküste keine Kopraplantagen gibt, versuchen<br />

die Bewohner der kastom Dörfer, mit dem Verkauf von frischen oder getrockne-<br />

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