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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Titel, Magie, Geld, Rhetorik, Mut: Bemerkungen zum Ethos der Sa<br />

zes. 119 Im Grunde ermöglicht das Titelsystem zweierlei: einmal formalisiert es<br />

individuelle Machtbestrebungen und zum anderen ist es, aufgrund seiner allgemeinen<br />

Akzeptanz, ein wichtiger Garant für den sozialen Frieden. 120 Der Titelanwärter<br />

muss seine Fähigkeiten als Diplomat, Politiker, Händler, Gärtner,<br />

Schweinezüchter, Ehemann und Familienvater unter Beweis stellen, um die jeweils<br />

nächste Stufe zu erreichen. Alle diese Ressourcen sind nötig und müssen<br />

möglichst optimal genutzt werden, um eine Art „ökonomischen Test“ zu bestehen.<br />

Dieser Test besteht zum einen darin, die Unterstützung von einem oder<br />

mehreren Mentoren zu gewinnen. Diese müssen den Wunsch des Anwärters,<br />

einen Titel zu erringen, unterstützen, ihm mit Rat, Tat und möglicherweise auch<br />

mit ökonomischen Mitteln zur Seite stehen und das Ritual selbst für ihn organisieren.<br />

Väter, Onkel, Brüder, sonstige wohlwollende Verwandte oder Freunde,<br />

die bereits weiter oben auf der Stufenleiter der Titelhierarchie angekommen<br />

sind, und deswegen den Titel weitergeben können, ähnlich wie bei uns ein Universitätsprofessor<br />

akademische Grade verleihen kann, treten dabei als Mentoren<br />

auf. Alle anderen Ressourcen muß der Anwärter selbst mobilisieren um möglichst<br />

viele materielle Güter in Form von Schweinen, Matten und Nahrungsmitteln<br />

zu erzeugen, die für das Ritual selbst, aber auch als Gewogenheitsgeschenke<br />

vorab, vonnöten sind. Die verschiedenen Titel bauen nach einem festgelegten<br />

Schema sukzessive aufeinander auf, allerdings ist wichtig, festzuhalten, daß es<br />

zwar eine Übereinkunft über die Abfolge der einzelnen Titel gibt, diese aber<br />

nicht von allen Initianden streng eingehalten wird. Ich widerspreche mit dieser<br />

Feststellung Margaret Jolly, die meint, Anzahl, Name und Reihenfolge der Grade<br />

sei generell umstritten (Jolly 1994a: 178ff). Dies trifft höchstens dann zu,<br />

wenn man zu einem alle kastom Gemeinden von Südpentecost umfassenden<br />

Schema kommen wollte. In Bunlap selbst gab es zwar, vor allem bei den jüngeren<br />

Männern, mitunter Wissenslücken bezüglich der Abfolge. Diese jedoch<br />

konnten in der Regel mit Hilfe der Älteren – allerdings mitunter erst nach längeren<br />

Diskussionen – geklärt werden. 121 Im Übrigen, so meine ich, könnte dieses<br />

anspruchsvolle System einer regulierten Reziprozität überhaupt nicht funktionieren,<br />

wenn nicht eine größtmögliche Übereinkunft über seine Regeln, also Legitimität,<br />

bestehen würde. Meine Daten ergeben daher auch in der Zusammenschau<br />

eine Abfolge von Titeln, dessen Anzahl und Reihenfolge von allen Befragten<br />

als die eigentlich Richtige bezeichnet wurde. Allerdings wird man an-<br />

119 Gäbe es diese Regelung nicht, würden einige seltene Titel, die vielleicht nur alle 30 oder<br />

50 Jahre einmal vergeben werden, mit dem Tode ihres letzten Trägers unwiderruflich verlorengehen.<br />

120 Dem Berliner Ethnosoziologen Richard Thurnwald (1927; 1965) schreibt man zu, bei seinen<br />

melanesischen Feldstudien als Erster auf das Prinzip der „regulierten Reziprozität“ gestoßen<br />

zu sein, das dann später von einer langen Reihe anderer Ethnologen aufgegriffen, weitergedacht<br />

und ins Zentrum iher ökonomischen Analysen gestellt wurde wurde, darunter Marcel<br />

Mauss (1984), Bronislaw Malinowski (1985); Radcliffe Brown (1952).<br />

121 Das meist profunde Wissen über die technischen Abläufe von Ritualen steht fast immer im<br />

Gegensatz zur mangelnden Fähigkeit bezüglich deren Exegese.<br />

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