20.11.2013 Aufrufe

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Einleitung<br />

sondern auch um das Wort, wie Pierre Bourdieu treffend beschrieben hat: „Das<br />

Auswahlprinzip ist die Suche nach dem Sensationellen, dem Spektakulären. Das<br />

Fernsehen verlangt die Dramatisierung, und zwar im doppelten Sinne: Es setzt<br />

ein Ereignis in Bilder um, und es übertreibt seine Bedeutung, seinen Stellenwert,<br />

seinen Charakter“ (Bourdieu 1998:25). In allen gesichteten Filmen über das gol<br />

bedienen sich die Autoren bestimmter, eindeutiger Schlagwörter, um eine unmißverständliche<br />

Spur archaischer Exotik zu legen. In einem 45-minütigen Film<br />

über das Turmspringen, den der deutsche Filmemachers Roland Garve für den<br />

NDR herstellte (Garve 1997), kommen etwa die folgenden Begriffe gehäuft vor:<br />

heilig (12x), Geister (9x), tabu (6x), Tradition (5x), Ritual (5x) traditionell (4x).<br />

Der schon allein durch die Häufung dieser Begriffe erzielte Eindruck wird noch<br />

verstärkt durch Behauptungen wie:<br />

„Sie bitten die Geister um Beistand“; „Das Turmspringen ist ein Stück Ursprünglichkeit“;<br />

„Noch sind Ihnen Ihre Traditionen heilig“; „Das nanggol ist das heiligste Fest des Jahres“<br />

(Kommentartext aus: Garve 1997)<br />

Fassen wir kurz die wichtigsten Elemente dieser Erklärungsversuche aus den<br />

hier vorgestellten populären Texten in der Form von typischen Behauptungen<br />

zusammen, die, in der ein oder anderen Konstellation, mit einiger Regelmäßigkeit<br />

auftauchen:<br />

Behauptung Nr. 1<br />

Jedes Dorf muß einen Turm bauen. Die Veranstaltung ist keine Show für Touristen,<br />

sondern ein „traditionelles“, „heiliges“ Ritual, das in den Mythen der Inselbewohner<br />

seinen Ursprung hat und aus „kulturellen“ und „spirituellen“ Gründen<br />

durchgeführt wird.<br />

• Hier soll die Originalität der Veranstaltung unterstrichen werden, die unbedingte<br />

Notwendigkeit der Durchführung aus rituellen Gründen. Es<br />

wird, mit anderen Worten, der „Mythos der ewigen Wiederkehr“ beschworen,<br />

die Authentizität und unberührte Reinheit der einheimischen<br />

Kultur.<br />

Behauptung Nr. 2<br />

Die Jungen und Männer müssen mit den Haaren oder Schultern den Erdboden<br />

berühren, um eine gute Yamsernte sicherzustellen.<br />

• Hier soll verdeutlicht werden, daß es sich um eine gefährliche und unter<br />

zweckrationalen Gesichtspunkten völlig unsinnige Veranstaltung handelt.<br />

Die Sa setzen aus religiösen Gründen Leben und Gesundheit aufs Spiel,<br />

um das Wohlwollen der Götter zu erringen, die eine gute Yamsernte und<br />

damit das Überleben der Gemeinschaft sichern sollen. Der Topos des archaischen<br />

„homo religiosus“ tritt unverkennbar zu Tage.<br />

- 26 -

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!