VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

Funktionen des gol. Versuch einer Analyse
werden muß. 295 Ein anderer Generator wurde lediglich zum gelegentlichen
Lichtmachen eingesetzt und rostete dann, mangels Ersatzteilen, jahrelang unter
einer Plane im Männerhaus vor sich hin. Auch ein Radiotelefon samt zugehöriger
Solaranlage hielt Klima und fehlender Pflege nur kurze Zeit stand. Zwei
Wassertanks aus Blech und Beton sind ohne Wartung undicht geworden. Einmal
investierte Telkon, einer Information von Chief Warisul zufolge, über eine Millionen
Vatu, um sich an der Anschaffung eines größeren Frachtschiffes zu beteiligen,
die dann jedoch nie getätigt wurde und daher auch keinen Gewinn abwarf
usw.
Als Fazit kann gelten, daß in vier Jahrzehnten gol Tourismus viele Millionen
Vatu sinnlos verschwendet worden sind, weil innerhalb der kastom Bevölkerung
niemand das Know How besaß, die entsprechenden Geschäfte zu managen bzw.
die erworbenen Geräte zu betreiben. 296 Mitte der 90er Jahre verließ Telkon Bunlap,
er hatte nach und nach an Rückhalt im Dorf verloren. 297 Es war immer deutlicher
geworden, daß er mit den großen Geldsummen, die das Turmspringen
abwarf, und die er praktisch im Alleingang verwaltete, nicht umgehen konnte.
Das Erstaunliche ist jedoch, daß Telkon Bunlap verlassen, und trotzdem Chief
bleiben konnte. Dies ist nur dem Umstand geschuldet, daß er es geschickt verstanden
hat, sich nicht nur als Veranstalter, sondern auch als Vermittler des gol
unabkömmlich zu machen. Wer immer ein gol in Bunlap sehen oder filmen will,
kommt an Telkon nicht vorbei. Tatsächlich kontrolliert er auch jetzt noch einen
guten Teil des gol Tourismus und steckt meist mehr als die Hälfte der Gelder,
die ihm vor allem von den zahlreichen TV-Teams gezahlt werden, bevor sie
nach Bunlap reisen dürfen, in die eigene Tasche. Es ist klar, daß Telkon nur
deswegen so agieren kann, weil er durch die Kommerzialisierung des Turmspringens
über eine einmalige Machtposition verfügt, die es ihm ermöglicht,
Normen und Traditionen zu seinen Gunsten gegeneinander auszuspielen. Einerseits
wirft er seine Autorität als Chief, seinen Einfluß als hochrangiger warsangul
und seine finanzielle Macht in die Waagschale, um seine Leute dazu zu
295 Vor allem die kleinen Kinder leiden sehr an der dadurch bedingten mangelnden Hygiene
und bilden Krätze und andere Hautkrankheiten aus.
296 Die meines Wissens einzige „nachhaltige Entwicklung“ bestand bislang darin, daß Telkon
im Jahr 2003 für etwa eine Million Vatu, die er auf Vermittlung des australischen Linguisten
Murray Garde als symbolische Entschädigung für das „Intellectual Property Right“ am gol
durch ein großes Bungee-Jumping Unternehmen erhielt, auf Gardes sanften Druck hin in den
Erwerb eines Stückchens Land in Port Vila investierte, das seither als Basis für diejenigen
Männer und Frauen aus Bunlap dient, die nach Port Vila kommen, um dort z.B. ihre frisch
geerntete Kava zu verkaufen. Hier können sie während ihrer Zeit in der Hauptstadt wohnen,
freilich nicht, ohne eine gehörige Miete an ihren „Chief“ zu errichten, der hier mit seiner
zweiten Frau wohnt und eine kleine Kava Bar betreibt.
297 Einige Männer von der Westküste sagten mir einmal hinter vorgehaltener Hand, daß einige
Männer gedroht hatten Telkon umzubringen, wenn er nicht freiwillig das Dorf verlassen würde.
Als Telkon im Jahre 2004 etwa drei Wochen in Bunlap verbrachte, nächtigte er, vielleicht
aus Angst vor Anschlägen, mit mir in meiner Hütte, die etwas abseits vom Dorf gelegen war.
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