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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Symbolische Dimensionen des gol. Versuch einer Analyse<br />

hermeneutik gleichkomme. Dabei sei zunächst zu kritisieren, daß die Begriffe<br />

„Symbol“, „Zeichen“, „Bild“, „Metapher“ nicht deutlich genug gegeneinander<br />

abgegrenzt seien und Eliade auch Rituale und Mythen als Symbole behandele:<br />

„Dabei wird oft nicht zwischen ursprünglicher Bedeutung, späterer Interpretation und Erklärung<br />

unterschieden; die Tradition der Symbole, ihre wirkliche Geschichte, spielt nur eine untergeordnete<br />

Rolle. Begleitet wird die Universalisierung (um nicht zu sagen ‘Kosmisierung’)<br />

des Symbols mit einer Auseinanderreißung von Form und Inhalt: Der historische Kontext ist<br />

eigentlich zweitrangig, obwohl er doch gerade das Symbol ‘ortet’ und den spezifischen Gehalt<br />

verleiht (etwa entsprechend den Kulturstufen aller Kulturgebiete). Eliade ist vornehmlich<br />

an dem (oft nur scheinbaren) überzeitlichen, überhistorischen ‘Inhalt’ seiner religiösen Struktur<br />

interessiert, obwohl er um den historischen Zusammenhang, etwa der Agrarsymbolik, sehr<br />

gut weiß.“ (Rudolph 1984:64)<br />

Ich will hier nicht genauer auf die Kritik an Eliade eingehen, seit vier Jahrzehnten<br />

setzten sich Ethnologen, Religionswissenschaftler und die Vertreter benachbarter<br />

Disziplinen kontrovers mit ihm auseinander. 252 Statt dessen will ich nun<br />

ganz konkret versuchen, der anhand von Eliades Terminologie entwickelten<br />

Analyse des gol eine ethnologische Sichtweise entgegenzusetzen, die auf der<br />

Fülle des unmittelbar erhobenen ethnographischen Materials selbst basiert.<br />

17.2 Die Symbolik der „zweiten Geburt“ und „männlichen Fruchtbarkeit“<br />

Ich komme bei meiner Betrachtung des gol, die sich bislang auf die Mythenanalyse<br />

bezieht und hier nun um die Untersuchung der Symbole erweitert wird, zu<br />

einer gänzlich anderen Einschätzung, die ich im vorangegangenen Kapitel bereits<br />

angedeutet habe und nun weiter ausführen will. Meine Symbolanalyse steht<br />

nicht nur im Gegensatz zu Eliade, sondern eröffnet auch eine völlig neue Perspektive<br />

auf das Phänomen, die sich von allen anderen bislang vorgebrachten<br />

Deutungen unterscheidet. Betrachten wir die durch das Turmspringen entfaltete<br />

Symbolik ganz konkret: aus einem großen, künstlichen Körper, tarbe-gol, den<br />

die Sa Männer unter striktem Ausschluß ihrer Frauen errichtet haben, springen<br />

ausschließlich Jungen und Männer herunter. Sie springen von einem Sprungbrett,<br />

das unter anderem aus den Bestandteilen wichin (Penis – die mittlere der<br />

drei Abstrebungen des Sprungbrettes beim gol abri) und sinbwel (Vagina – die<br />

beiden äußeren Abstrebungen des Sprungbrettes beim gol abri) besteht. Gesichert<br />

werden sie lediglich von einer Liane, die eine Art „Nabelschnur“ darstellt.<br />

Unten angekommen, wird diese Nabelschnur durchtrennt, und sie fügen sich als<br />

„Neugeborene“, die ihre Geburt ausschließlich dem Wirken männlicher Kraft im<br />

Allgemeinen und der Hilfe bestimmter männlicher Mentoren im Besonderen zu<br />

verdanken haben, erneut in die Gemeinschaft ein. Die Männer, die den tarbe-gol<br />

bauen und organisieren, übernehmen so etwas wie eine kollektive Vaterschaft<br />

für die Springenden. Das Motiv der „Vaterschaft“ wird durch folgendes Bild<br />

252 Vgl. f.a. Allen 1978, 1980, 1982; Berner 1997; Bharati 1983; Dudley 1977; Duerr 1984;<br />

<strong>Lipp</strong> 2000; Rennie 1996, 2007a, 2007b; Ricketts 1973, 1988; Rudolph 1984; Saliba 1976;<br />

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