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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Gol - ein kastom der Sa: Das Mitteilbare<br />

zu enthalten hätten, da es ansonsten zu Unfällen bei den Sprüngen kommen<br />

würde. Mir selbst wurde dieses Verbot von einigen älteren Männern bestätigt,<br />

während andererseits viele jüngere Männer vielfach nichts davon gehört hatten<br />

(oder nicht gehört haben wollten). Über die Einhaltung dieser Auflagen vermag<br />

ich nichts zu sagen.<br />

Ein gol Bauplatz muß bestimmte Kriterien erfüllen: er sollte abschüssig sein,<br />

damit die Wucht des Aufpralls bei einem mißlungenen Sprung, etwa wenn die<br />

Lianen reißen oder fälschlicherweise zu lang bemessen wurden, etwas gemildert<br />

wird. Andererseits sollte unter, neben oder hinter dem Turm soviel Platz sein,<br />

daß Männer und Frauen dort während des gol, getrennt voneinander, tanzen<br />

können. Ich konnte insgesamt ein knappes Dutzend Orte in der näheren Umgebung<br />

von Bunlap-Bena lokalisieren, an denen in der Vergangenheit ein gol abgehalten<br />

worden war. Die meisten davon sucht man, weil sie sich bewährt haben,<br />

im Wechsel von einigen Jahren immer wieder auf. Die beiden Bauplätze für<br />

die gol im Jahre 2004 lagen mehrere hundert Meter oberhalb des Dorfes und waren<br />

von dort nicht einzusehen. Während man in den skul Siedlungen an der<br />

Westküste mehrfach von ein und demselben Turm springt, der von Mal zu Mal,<br />

falls nötig, ausgebessert wird, suchte man in Bunlap für das zweite gol des Jahres<br />

2002 einen neuen Bauplatz und baute einen zweiten Turm, der jedoch zu einem<br />

guten Teil aus Materialien seines Vorgängers bestand. Auf die hier zugrundeliegende<br />

symbolische Bedeutung von Bau und Abriß des Turmes, werde ich<br />

später noch ausführlicher zu sprechen kommen.<br />

Wenn der Platz feststeht, säubert man ihn zunächst von Büschen und Sträuchern,<br />

und fällt alle umstehenden Bäume. Lediglich ein Baum bleibt stehen,<br />

auch seinetwegen hat man den Ort ausgewählt. Anschließend beginnt man damit,<br />

mehrere hundert, möglichst gerade Baumstämme und Stöcke zwischen fünf<br />

und zehn Metern Länge aus dem umliegenden Wald herbeizuschaffen. 172 Die<br />

dazu benötigten Bäume werden, abhängig von ihrem Umfang, teils mit der Axt<br />

gefällt, teils mit wenigen Hieben der stählernen Buschmesser abgehauen. Für<br />

den Bau des Turmes benötigt man aber außerdem Material zum Verbinden der<br />

einzelnen Elemente. Einige Männer und Jungen sind daher stets damit beschäftigt,<br />

die Rinde von bestimmten, besonders dicken airi (Lianen) abzuziehen und<br />

anschließend zwischen zwei Hölzern weichzuklopfen. So entstehen erstaunlich<br />

flexible und reißfeste, ein bis zwei Finger dicke und bis zu einem Meter lange<br />

„Rindenschnüre“, mit denen man die Stämme nun mit doppelten „Haushaltsknoten“<br />

aneinanderbindet. Alternativ können auch kleinere, dünne Lianen verwendet<br />

werden, die keiner besonderen Behandlung mehr bedürfen. Wenn der Großteil<br />

des Baumaterials herbeigeschafft ist und genügend Verbindungsschnüre zur<br />

Verfügung stehen, kann mit dem eigentlichen Turmbau begonnen werden. Bei<br />

beiden von mir im Jahre 2002 beobachteten gol diente eine Kokospalme, deren<br />

Wedel vollständig entfernt wurden, als „Rückgrat“ des Turmes. Vor der Palme<br />

172 Der erste gol des Jahres 2002 bestand aus etwa 600 Stämmen und Ästen.<br />

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