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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Zur Entstehung von kastom als Lebensform & Ideologie<br />

Panmatmat und etwas später auch Ranwas geschlossen übertreten (Lane<br />

1956:164). Zu dieser Zeit gibt es den Versuch, auch die kastom Dörfer Lonbwe<br />

und Lonlibilie zur Church of Christ zu bekehren. Margret Jolly berichtet, ein<br />

„missionary teacher“ habe zu dieser Zeit eine kleine Kirche in Londana bei<br />

Lonbwe gebaut. Einige Männer und Frauen aus Lonbwe konvertieren – gleichzeitig<br />

regt sich aber auch massiver Widerstand im Dorf. Dieser entlädt sich, als<br />

ein Ehemann seine Frau mit ihrem konvertierten Liebhaber in flagranti erwischt<br />

und ihn tötet. Die außereheliche Liebschaft des Konvertiten wirft wohl kein allzu<br />

gutes Bild auf die neue Ideologie, jedenfalls flieht der „missionary teacher“<br />

aus Angst vor Racheakten (Jolly 1994a:38). Etwas später geht in Pentecost das,<br />

wohl von der Church of Christ selbst verbreitete Gerücht um, die Amerikaner<br />

würden zurückkehren und jeden umbringen, der noch Penisbinde oder Grasrock<br />

trüge (Lane 1956:164). Zu dieser Zeit kommt es zu einem Konflikt zwischen<br />

Molman, einem Mann aus Lonbwe, und der katholischen Mission in Baie Barrier.<br />

Dort tötet man zwei seiner Schweine, weil sie die Gärten der Mission verwüstet<br />

haben. Als Revanche erschießt Molman zwei missionseigene Kühe und<br />

versteckt sich anschließend einige Zeit im Norden der Insel, um Gras über die<br />

Sache wachsen zu lassen. Dort beginnt er, sich mit einem möglichen Übertritt zu<br />

befassen. Zum einen aus Angst vor amerikanischen Aktionen gegen Penisbinde<br />

und Grasrock, zum anderen, weil er sich, so Jolly, von der traditionellen Weltsicht<br />

„eingesperrt“ fühlt (Jolly 1994a:38). Als er einige Monate später nach<br />

Lonbwe zurückkehrt bringt er einen Church of Christ Missionar mit Namen Nathan<br />

mit ins Dorf. 40 Der Prediger läßt keinen Zweifel daran, daß die bislang tragenden<br />

Säulen der Sa Gesellschaft – Polygynie, Brautpreis, Schwesterntausch<br />

und Kreuzcousinenheirat, Titelkäufe und eben auch das gol, auf das Schärfste zu<br />

verurteilen sind. Diese Haltung wird nach und nach von den meisten Bewohnern<br />

im Einflußgebiet der Church of Christ Missionen internalisiert, wodurch die<br />

„Church of Christ“ Konvertiten zu den aggressivsten Gegner der traditionell lebenden<br />

Sa werden. Vor allem am rigoros eingeforderten Verzicht auf den Brautpreis<br />

aber scheiden sich die Geister, hier stößt der Missionar Nathan auf das Unverständnis<br />

und den Unmut der noch nicht konvertierten Sa in Lonbwe. In ihren<br />

Augen stellt der Brautpreis eine notwendige Entschädigung dar: für den Verlust<br />

der Tochter, ihrer Arbeitskraft und Reproduktionsfähigkeit. Außerdem sagen<br />

sie, so berichtet Lane, daß die Kinder der Sa deswegen nicht für die Schule geeignet<br />

sind, weil sie stets bei der Mutter bleiben müßten, deren umsorgende<br />

Hand sie bräuchten. Aus all diesen Gründen müssen Frauen bezahlt, ihre Familien<br />

entschädigt werden (Lane 1956:165). Auch beim zweiten Versuch kann sich<br />

ein Church of Christ Prediger in Lonbwe also nicht durchsetzen, ein zweites Mal<br />

entscheidet sich das gesamte Dorf für eine Rückkehr zu den traditionellen Regeln<br />

– und so ist es bis heute geblieben. Es gibt andererseits jedoch viele Bei-<br />

40 Ich beziehe mich hier auf eine von Margaret Jolly (1994a: 38) aufgezeichnete mündliche<br />

Überlieferung. Wie genau ihre Informationen sind, woher der Prediger kam und welche Sprache<br />

er sprach läßt sich nur erahnen. Jolly läßt Nathan Bislama sprechen was darauf schließen<br />

läßt, daß Bislama zu dieser Zeit bereits relativ weit verbreitet gewesen sein muß.<br />

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