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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Zur Entstehung von kastom als Lebensform & Ideologie<br />

deren Entstehung es das gol heute wohl nicht mehr geben würde. 32 Der erste katholische<br />

Missionar in Pentecost, Emmanuel Rougier kommt nicht allein auf die<br />

Insel. Er hatte zuvor das Wort Gottes in Fidschi verkündet, wo er auf Kontraktarbeiter<br />

aus Vanuatu gestoßen war, von denen einige auch aus Pentecost stammen.<br />

Diese Kontraktarbeiter begleitet Rougier nun auf ihrem Rückweg nach<br />

Pentecost und ihre Fürsprache ermöglichen ihm und seinen Nachfolgern erste<br />

Erfolge bei der Missionierung der Insel. Loltong, Namara, Melsisi und Wanur,<br />

allesamt Dörfer auf der Westküste, werden so zu verläßlichen katholischen<br />

Stützpunkten, die sie bis heute geblieben sind. Rougier und sein Mitbruder Jean-<br />

Baptiste Jamond, der allerdings schon nach wenigen Wochen von Francis Rougé<br />

abgelöst wird, bleiben lediglich einige Monate in Pentecost (vgl. Monnier<br />

1991:1). Es folgt der erst 28-jährige Francois Le Fur, der von 1899 bis zu seinem<br />

Tod im Jahr 1907 in Südpentecost missioniert und seinen permanenten<br />

Stützpunkt auf Wunsch des späteren Bischofs Victor Douceré zunächst in Wanur<br />

aufschlägt. Weil die Begebenheiten um seinen Tod sich für die Entwicklung<br />

von kastom in Pentecost als schicksalhaft erweisen sollten, müssen wir Le Fur<br />

und seiner Zeit in Pentecost hier den nötigen Platz einräumen.<br />

Der Kirchenhistoriker Paul Monnier beschreibt in als unerschrockenen Mann,<br />

den weder Hitze, Lepra, Ratten oder Moskitos von seiner „Mission“ abzubringen<br />

vermochten (Monnier 1991:7). Le Fur, der in Wanur an der Westküste<br />

Quartier genommen hat, erkennt bald, daß die eigentliche Aufgabe viel eher im<br />

Inselinneren und an der dichter besiedelten, unzugänglichen Ostküste liegt. Der<br />

Westen Pentecosts ist von den südöstlichen Passatwinden durch die hohen<br />

Bergketten im Inneren der Insel abgeschottet. Zwar können Schiffe an der windund<br />

brandungslosen Küste leichter ankern und Boote gefahrloser anlanden, aber<br />

weil der Westen aufgrund der fehlenden Passatwinde heiß und malariaverseucht<br />

ist, und weil man hier zudem den feindlichen Angreifern, die von den Bergen<br />

und von See kommen können, schutzloser ausgeliefert ist als in den versteckten<br />

Bergregionen, sind die westlichen Küstenregionen zu dieser Zeit kaum besiedelt.<br />

Im Jahr 1902 bricht zudem die Ruhr aus, zunächst in Ambrym, später auch<br />

in Pentecost. Dutzende, vielleicht Hunderte Menschen sterben, genaue Angaben<br />

fehlen. 33 Man weiß lediglich, daß am Ende des Jahres 1902 bis auf den Missionar<br />

Le Fur niemand mehr in Wanur lebt. Viele sterben, einige versuchen, vor der<br />

32 Im Übrigen fällt auch die Quellenlage zugunsten der gut aufgestellten Weltorganisation<br />

katholische Kirche aus. Weder die Church of Christ noch die Anglikaner haben sich in vergleichbarem<br />

Umfang die Mühe gemacht, Quellen zusammenzutragen, zu sortieren oder zu<br />

veröffentlichen.<br />

33 Das Problem der Depopulation durch Epedemien hielt bis in die zwanziger Jahre an, als die<br />

Grippe bis zu 2/3 der Bevölkerung dahinraffte. Vergleicht man den Zensus von Tattevin (Tattevin<br />

1925) aus dieser Zeit mit späteren Angaben, wird dies überdeutlich. Tattevin hatte in<br />

Mae, ein Dorf in der Nähe von Bunlap, 575 Menschen gezählt. In den fünfziger Jahren lebte<br />

dort nur noch eine überlebende Familie. Heute existiert das Dorf gar nicht mehr. Erstaunlicherweise<br />

sind die Epedemien nicht als traumatisches Ereignis in das kollektive Bewußtsein<br />

eingegangen (vgl. auch Lane 1956:146).<br />

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