VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

Gol als Ritual? Versuche zur Ritualtheorie
gelegenen Dörfer Lonbwe, Bilaut, Lonlibilie oder Sankar, allesamt kastom Siedlungen,
schon deswegen nicht zugetroffen haben, da hier, aufgrund anderer klimatischer
Bedingungen, wesentlich weniger oder gar kein Yams angebaut werden
kann. 279 Es stimmt zwar, daß die Sa ihren Kalender an der Yams ausrichten,
dieser Umstand darf uns jedoch nicht dazu verleiten, die besondere Bedeutung,
die der Yams, v.a. dort, wo er angebaut wird, z.B. als Zeitindikator zweifellos
besitzt, fraglos auch auf alle möglichen anderen Bereiche der Gesellschaft zu
übertragen. Anhand der Reifezeit der Yams wird schließlich nicht nur bei den
Sa, sondern auch bei unzähligen anderen Ethnien weltweit das Fortschreiten des
Jahres gemessen – und zwar ungeachtet deren Verwandtschaftsordnung bzw.
Konzepten von Männlichkeit und Weiblichkeit. Meines Erachtens ist die von
Jolly postulierte Yams-Taro-Dichotomie, bezogen auf den Mann-Frau-
Dualismus nicht haltbar, zumindest nicht in der von ihr vorgetragenen Form.
Zweifellos existiert ein Mann-Frau-Dualismus, dieser äußert sich jedoch anderswo
um ein Vielfaches eindeutiger und eindrucksvoller als hier.
Hier wird deutlich, weshalb ich neben Aspekten des Gartenbaus, der Kosmologie
und dem Ethos der Sa auch deren rituellen Jahreskalender so ausführlich geschildert
habe. Dort haben wir nämlich gesehen, daß es das juban Ritual ist, mit
dem das neue (Yams-) Jahr eingeleitet wird und das gleichzeitig auch den Beginn
der Ritualsaison darstellt. Die juban Masken sind, im Gegensatz zum gol,
tatsächlich ausgesprochene „Dema-Kostüme“. Der juban Tanz, mit seinen dramatischen,
teils angsteinflößenden Bewegungen, erinnert explizit an den Tod
des Kulturheroen Singit bzw. Lingus und kann zweifellos als eine darstellende
Kulthandlung identifiziert werden, dem ein Ensemble bestimmter Mythen
zugrunde liegt, nämlich die Mythen III und IV, die beide den Yamsanbau direkt
mit dem Tod eines Kulturheroen in Verbindung bringen.
Abb. 51: Yamsernte und Turmspringen fallen zeitlich zusammen. (Bunlap, Mai 2002.)
Diese Koinzidenz rechtfertigt jedoch nicht die Theorie, das gol für ein Yams-
Fruchtbarkeitsritual zu halten.
279 Was diese jedoch keinesfalls daran hindert, Turmspringen abzuhalten!
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