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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Gol - ein kastom der Sa: Das Mitteilbare<br />

bulbol bedeutet wie “Ihr spielt Fußball”. Kolan ist „das Spiel“. Oft verwenden<br />

die Sa den Bislama Begriff „pleple“, spielen, wenn vom Turmspringen die Rede<br />

ist (vgl. auch das Interview mit Chief Warisul in Kap. 14.8). Da mir, neben der<br />

linguistischen Evidenz, die Vorstellung vom gol als einer Art Spiel sehr häufig<br />

begegnete, tendiere ich dazu, diese Herleitung für die naheliegendste zu halten,<br />

kann es jedoch nicht mit Sicherheit behaupten. Betrachtet man aber, wie in manchen<br />

Sa Begriffen zugrundeliegende Worte teils bis zur Unkenntlichkeit verändert<br />

werden, so ist zumindest vorstellbar, daß eine Lautverschiebung zwischen<br />

kol(an) und gol stattgefunden hat. 166 Zuletzt noch eine weitere Anmerkung, die<br />

möglicherweise ebenfalls aufschlußreich ist: im Bislama nennen die Sa den<br />

Turm nicht selten auch stamba, was in diesem Zusammenhang soviel bedeutet<br />

wie „Baumstamm“ oder „Baumstumpf“. Diese Herleitung bezieht sich einerseits<br />

natürlich auf die hölzerne Beschaffenheit des Turmes, andererseits könnte sie<br />

aber auch ein Hinweis darauf sein, daß es sich beim gol ursprünglich um nichts<br />

weiter als einen zurechtgemachten Baum handelte. Ich werde weiter unten noch<br />

genauer darauf eingehen.<br />

Im Jahr 2002 konnte ich den Bau eines Turmes zweimal nicht nur beobachten,<br />

sondern hatte auch Gelegenheit, jeweils tatkräftig daran mitzuarbeiten. Das Problem,<br />

das sich daraus für die hier zu leistende Beschreibung ergibt, ist bekannt.<br />

Der Ethnologe verändert, ja zerstört das zu Erforschende schon durch seine bloße<br />

Anwesenheit (vgl.f.a. Rouch in Friedrich 1984:64). Die „Tradition“ wurde<br />

also schon dadurch außer Kraft gesetzt, daß ich selbst der Anlaß für das erste<br />

von zwei Turmspringen des Jahres 2002 war und als Beobachter die zu beobachtende<br />

Situation mitgestaltete. Ich würde in diesem Falle nicht soweit gehen, zu<br />

sagen, ich hätte die Situation als solche entscheidend verändert, denn wir haben<br />

ja bereits gehört, daß die Durchführung von Turmspringen für Besucher und<br />

Filmcrews seit vielen Jahren nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel darstellt.<br />

Ich versuche daher im Folgenden eine Schilderung des Beobachteten, bemühe<br />

mich jedoch auch um den Versuch der Rekonstruktion dessen, wie die Situation<br />

– der Literatur bzw. den Berichten meiner Informanten zufolge – sich<br />

möglicherweise gestaltet hätte, wenn ich nicht zugegen gewesen wäre und kein<br />

Geld bezahlt hätte.<br />

13.1 Baumeister, Organisator, Veranstalter<br />

Wir haben weiter oben bereits gehört, daß das Turmspringen, befolgt man den<br />

rituellen Jahreskalender, stets nach dem Fruchtbarkeitsritual juban stattfindet,<br />

also irgendwann im April oder Mai. Wann genau es abgehalten wird, bestimmt<br />

traditionell nicht ein Einzelner, sondern man wird, wenn die Zeit gekommen ist,<br />

im Männerhaus darüber zu sprechen beginnen, ob man in diesem Jahr ein gol<br />

166 Das Wort mbui (Schwein) z.B. taucht im warsangul Titel ambu pola auf („steht auf einem<br />

Schwein“), wird aber mitunter eher „apopola“ ausgespochen.<br />

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