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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Symbolische Dimensionen des gol. Versuch einer Analyse<br />

Für sich alleine genommen mag diese Interpretation noch nicht tragfähig genug<br />

erscheinen, setzt man sie jedoch in Beziehung zur Mythenanalyse und zu den im<br />

rituellen Repertoire entfalteten Bildern sowie den grundlegenden Konzepten von<br />

Ordnung innerhalb der Sa Gesellschaft, so verfestigt sich der Befund. Dabei beruht<br />

meine Analyse durchaus nicht ausschließlich auf der etischen Perspektive<br />

des Ethnologen, sondern – bei genauerem Hinsehen – finden sich viele offene<br />

und versteckte Hinweise, die diese Interpretation auch aus emischer Perspektive<br />

stützen. Versuchen wir zunächst, die im gol entfalteten Symbole aus der etischen<br />

Perspektive des Ethnologen zu betrachten und mit weiteren Symbolen in<br />

Verbindung zu bringen, die das Motiv einer „zweiten Geburt“ von Jungen und<br />

Männern durch das Kollektiv der Männer ebenfalls transportieren. Zu denken ist<br />

da insbesondere an das Beschneidungs-, aber auch an alle übrigen Titelrituale,<br />

weshalb ich hier einige Elemente aus diesen Veranstaltungen nochmals in Erinnerung<br />

rufen will:<br />

Bei der Beschneidung übernehmen die Väter die Rolle der Mütter, indem sie für<br />

die Zeit der Seklusion einige von deren Aufgaben übernehmen. So kümmern<br />

sich die Männer um das Wohl ihrer Kinder, in dem sie von den Müttern aus Kokoswedeln<br />

geflochtenen Schlafmatten, wie Frauen sie brauchen, um Säuglinge<br />

zu betten, symbolisch in Empfang nehmen.<br />

Daß die Neophyten von den letztjährigen Initianden auf dem Rücken getragen<br />

werden, erinnert ebenfalls an die Zeit, als sie von ihren Müttern so herumgetragen<br />

wurden, deren Rolle jetzt jedoch von den Männern selbst übernommen werden<br />

kann. Die Zeit im dunklen Männerhaus kann man als Reifezeit in der männlichen<br />

Sphäre betrachten. Das mal stellt, so betrachtet, eine große künstliche<br />

Gebärmutter dar, in der die Knaben durch das Zusammensein mit den Männern<br />

in deren exklusiven Raum möglichst viel männliche Energie in sich aufnehmen<br />

sollen. Andererseits sind auch Symbole des Todes unübersehbar. Die wilden<br />

Schreie der Mütter, die zu hören sind, wenn die Knaben beschnitten werden und<br />

man sie ins Männerhaus bringt, erinnern an die Schreie, mit denen man die Toten<br />

betrauert (vgl. Kap. 10.5). Ohne Übertreibung kann man sagen, daß hier ein<br />

Übergang von der weiblich dominierten Sphäre der Kindheit, in eine männlich<br />

dominierte warsangul Zeit stattfindet. Im Rahmen des auf die Beschneidung<br />

folgenden taltabwean Rituals übrigens, mit dem das erfolgreiche Ende der<br />

Übergangszeit gefeiert wird, finden wir auch wieder den oben beschriebenen<br />

Tanz der Frauen, die in ihren Armen rote Kroton Blätter wie Säuglinge hin und<br />

her wiegen. Auch in den warsangul Ritualen begegnet uns allenthalben das Motiv<br />

der „zweiten Geburt“. Sieht man von wot ab, bestehen sie alle im Kern darin,<br />

daß einem Jungen oder Mann von einem oder mehreren anderen Mentoren ein<br />

neuer Status verliehen wird. Ohne diese Männer, die eine symbolische Vaterschaft<br />

übernehmen, kann ein warsangul Ritual nicht vollzogen werden. Daß die<br />

Frauen über das lo sal System implizit an allen warsangul Ritualen beteiligt<br />

sind, habe ich weiter oben bereits erwähnt (Kap. 11.2).<br />

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