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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Körper und Kleidung: bi pis und rahis als Fanal für kastom<br />

sich, hin und wieder mit Freunden oder Bekannten sprechen zu können, die in<br />

anderen Teilen Pentecosts oder auf anderen Inseln des Archipels zuhause sind.<br />

Zusammenfassend können wir sagen, daß die kulturelle Selbstbehauptung der<br />

kastom Leute auch auf den zweiten Blick noch beeindruckend ist, allerdings ergibt<br />

sich bei genauerem Hinsehen doch ein differenzierteres Bild und man stellt<br />

fest, daß auch das Leben in einem abgelegenen kastom Dorf vielfältigen Einflüssen<br />

von außen unterworfen war und ist. Was die Bewältigung der täglichen Existenzsicherung<br />

anbelangt, sind die Unterschiede zwischen skul und kastom Leuten<br />

also durchaus nicht groß. Tagsüber verbringen Männer wie Frauen hier wie<br />

dort viel Zeit in ihren Gärten und leisten die gleichen Arbeiten mit mehr oder<br />

weniger den gleichen Werkzeugen und Methoden. Hier wie dort bleiben die<br />

Frauen mit den Kindern abends in den Hütten, während die Männer sich im<br />

Männerhaus treffen, um Kava zu trinken oder Politik zu machen, auf der Bambusflöte<br />

zu spielen, zu singen oder Radio zu hören. Kastom in Bunlap bedeutet,<br />

bei aller zweifellos vorhandenen Bedeutung der traditionellen Kleidung, weder<br />

ausschließlich das Tragen von bi pis und rahis, noch das kategorische Ablehnen<br />

der Möglichkeiten moderner Technik. Im Effekt viel weitreichender ist die Verbannung<br />

von westlichen Schulen und Kirchen und die Betonung und Tradierung<br />

der eigenen Kosmologie. Aber auch hier wird sowohl Kontinuität als auch Wandel<br />

sichtbar. Es wird gleich deutlich werden, daß manches in Vergessenheit geraten<br />

ist, anderes dafür sich neu entwickelt hat. Mythen sind eben nicht unveränderlich,<br />

sondern geben, ganz wie es ihrer Aufgabe entspricht, eine stets aktualisierte<br />

Fassung auf die drängenden Fragen, die eine Kultur in einem sich ändernden<br />

Umfeld zu beantworten hat. Der Umstand, daß Mythen sich ändern,<br />

sich neuen Umständen anpassen, spricht insofern für die Lebendigkeit von kastom<br />

und nicht für den „Verfall von Tradition“.<br />

9. Die wichtigsten Mythen der Sa<br />

In diesem Kapitel wollen wir uns mit einigen wichtigen Gründungsmythen näher<br />

vertraut machen, um die Grundlagen des Weltbildes der kastom Sa besser<br />

verstehen zu lernen. Ich meine, daß erst auf der Grundlage einer Zusammenschau<br />

der wichtigsten Eckpfeiler des mythischen Weltbildes die spätere Analyse<br />

des gol gelingen kann, weil in den Mythen immer wieder einige ähnliche Bilder<br />

entfaltet werden. Daß Mythen nicht „logisch“ sind, daß in ihnen ansonsten unvereinbare<br />

Gegensätze zusammenfallen können, sie aber dennoch, wenn man<br />

vielleicht einmal von den großen kosmogonischen Mythen absieht, in aller Regel<br />

einen „historischen Kern“ haben und, was das Wichtigste ist, tatsächlich<br />

wirkungsmächtig sind, also nicht nur „geglaubt“ werden, sondern eine reale<br />

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