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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Gol und Mythos – Versuch einer Mythenanalyse<br />

Auch Mythos III greift das Thema wieder auf, indem der Yams aus Singit, also<br />

einem männlichen Selbst, entsteht. 242 Deutlich wird, daß wir es mit Geschichten<br />

zu tun haben, die von Dingen sprechen, die jeder menschlichen Erfahrung vollständig<br />

entgegenlaufen, auf der Symbolebene jedoch Bilder entfalten, die das<br />

konkrete Handeln der Sa besser verstehen lassen. In Mythos IV begegnet uns<br />

erstmals eine Frau als Akteur. Sie läßt es zu, daß Marelul, ein Bruder Barkulkuls,<br />

mit ihr schläft. Diesen Vertrauensbruch bestraft Barkulkul mit dem Tode.<br />

Allerdings tötet er nicht etwa seine Frau, sondern seinen Bruder. 243 Frauen stellen,<br />

wie wir in Kap. 9 bereits gesehen haben, in den wenigen Mythen der Sa, in<br />

denen sie überhaupt auftauchen, eine ausgesprochene Gefahr für den Mann dar,<br />

indem sie seine reproduktiven Fähigkeiten, ja sogar sein Leben bedrohen. In<br />

Mythos V muß Mélésia sterben, weil er seiner (unzuverlässigen) Frau das Geheimnis<br />

seiner Unsterblichkeit verraten hat. In Mythos VI wird thematisiert, daß<br />

ein Mann einer Frau nicht trauen kann, da diese die Züge eines Gestaltwandlers<br />

besitzt und ihm so ein wertvolles Geheimnis entlocken kann. In Mythos IX<br />

schließlich, der begründet, warum die Beschneidung in die Welt gelangt ist,<br />

stößt man auf Elemente, die bei genauerem Hinsehen dem gol Mythos sehr ähneln.<br />

Hier fordert der Mann von seiner Frau, daß diese ihren „ehelichen Pflichten“<br />

nachkommt, diese läuft jedoch weg und es entspannt sich eine Geschichte,<br />

die wir nochmals näher betrachten wollen: Schon der Verweis auf die Sexualität<br />

deutet das Autochthonie Problem an, in der Durchführung der Geschichte gewinnt<br />

der Stoff weiter an Brisanz, denn es stellt sich heraus, daß die geschlechtliche<br />

Vereinigung eine große Gefahr für den Mann darstellt. Wir wollen hier<br />

noch einmal eine Mythenanalyse nach Lévi-Strauss versuchen, um unsere Datenlage<br />

wenigstens in bescheidenem Umfang zu ergänzen. Allerdings lag mir<br />

von diesem Mythos lediglich eine einzige Version vor, so daß das hier erzielte<br />

Ergebnis lediglich als vorläufiges Bild betrachtet werden muß.<br />

242 Die Erfahrung, daß dies möglich ist, machen die Sa jeden Tag, indem sie Taro und Yams<br />

in mehrere Stücke zerteilen und diese dann einpflanzen. In wenigen Monaten vermehrt sich<br />

die Pflanze in der Erde - ohne die Hilfe eines Zweiten, Anderen, gänzlich autochthon.<br />

243 Übrigens findet sich auch hier wiederum ein typisches Dema-Bild, in dem Tod und<br />

Fruchtbarkeit in eins gesetzt werden: Marelul gräbt sich sein eigenes Grab ausdrücklich in<br />

Form eines Yams-Pflanzloches. Allerdings ist er (aufgrund seines sexuellen Verkehrs?) nicht<br />

mehr zur autochthonen Reproduktion in der Lage. Vielmehr „verdirbt“ sein Körper, so daß er<br />

ins Reich der Toten Lon We gehen muß. Die Metapher bezieht sich sowohl auf das Verwesen<br />

des Leichnams, als auch auf die Yams, die ebenfalls von Fäulnis befallen werden kann und<br />

dann ungenießbar wird.<br />

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