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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Einleitung<br />

lerdings nicht mit, wo genau in Pentecost sie am gol teilnehmen und bieten eine<br />

bloße Beschreibung der Veranstaltung ohne ethnographische Vorkenntnisse.<br />

Anhand der den Beitrag begleitenden Photographien kann rekonstruiert werden,<br />

daß es sich nicht um ein kastom Dorf gehandelt haben wird, da die Springer<br />

westliche Kleidung statt der traditionellen Penisbinde tragen 18 . Aus ethnographischer<br />

Sicht ist ihre Beschreibung nur bedingt von Wert, vor allem auch deshalb,<br />

da sie nur zwei Tage vor Ort verbracht haben. Obwohl sie keine weitergehende<br />

Interpretation der beschriebenen Vorgänge liefern, suggerieren sie doch, daß es<br />

sich um eine Art Initiationsritual handelt. Sie schreiben: “The first dive was the<br />

lowest, 25 feet… and we felt glad it was not one of our sons risking his neck to<br />

prove he was a man.” (Johnson & Johnson 1955:79) In den Jahren 1969 und<br />

1970 verbrachte der Literaturwissenschaftler, Photograph und Filmemacher Kal<br />

Muller, ein Amerikaner ungarischer Abstammung, etwa sieben Monate im kastom<br />

Dorf Bunlap. Begleitet wurde er von seiner damaligen Freundin Beatrice<br />

Chaniel 19 und zwei Assistenten für Ton- und Filmaufnahmen. Auch er schrieb<br />

für „National Geographic“ und fertigte für die Harvard University Filmaufnahmen<br />

vom Leben der Sa an, dabei unter anderem auch vom gol. Muller kam zu<br />

dem Schluß, daß das gol kein Initiationsritual sei, sondern eher eine Art „psychohygienischer<br />

Funktion“ erfülle: “The land dive serves several psychological<br />

purposes: it gives the men a chance to demonstrate their courage, to show off in<br />

front of women, and to get a public hearing of their troubles. Some men, before<br />

jumping, discuss their marital difficulties. And the wives must stand and listen.”<br />

(Muller 1970: 808) Es ist interessant, daß sich diese Interpretation in den einschlägigen<br />

Broschüren beinahe verloren hat. Sie scheint einerseits bereits zu<br />

komplex zu sein bzw. die liebgewonnenen Vorstellungen vom archaischen „homo<br />

religiosus“ nicht in ausreichendem Masse zu erfüllen. Nähert man sich dem<br />

Ritual nämlich von dieser Seite, müßte man die Turmspringer als Menschen im<br />

Hier und Jetzt zur Kenntnis nehmen und sich detailliert mit ihren täglichen Leben,<br />

ihren Sorgen, Nöten, Wünschen und Sehnsüchten beschäftigen, um zu verstehen,<br />

warum sie tun, was sie tun. In diesem Fall würde es nicht mehr genügen,<br />

alle möglichen, aber natürlich unausgesprochen bleibenden „cultural and<br />

spiritual reasons“ in sie „hineinzugeheimnissen“. Die „Veranderung“ der<br />

„Fremden“ müßte zugunsten eines differenzierten Blickes aufgegeben werden,<br />

was dann allerdings mit ziemlicher Sicherheit die Erkenntnis zur Folge hätte,<br />

daß die „Anderen“ möglicherweise so weit gar nicht vom Eigenen entfernt sind,<br />

welches man jedoch, weil es das „essentiale peccatum“ darstellt, in der „Fremde“<br />

nicht anzutreffen wünscht (vgl. Bargatzky 1999a).<br />

18 Mit ziemlicher Sicherheit beschreiben die Johnsons eines der ersten von Kiliman ausgerichteten<br />

Turmspringen in der Gegend des heutigen Point Cross (vgl. Kap. 14.2).<br />

19 Der Verfasser traf Beatrice Chaniel im Jahre 2002 während seiner Feldforschung in Bunlap.<br />

Nach dreißig Jahren war sie erstmals für zwei Wochen zurückgekehrt, um ein französisches<br />

Filmteam bei der Arbeit zu unterstützen. Sie ist wohl die Einzige, die das gol mit einem Abstand<br />

von dreissig Jahren gesehen hat, und konnte dementsprechend sehr wertvolle Hinweise<br />

zum Wandel der Veranstaltung geben.<br />

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