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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Symbolische Dimensionen des gol. Versuch einer Analyse<br />

Turmspringens anzuwenden. Der „Aufstieg“ in den Himmel mit Hilfe des<br />

Sprungturms als „axis mundi“, die Überwindung der „Trennung zwischen Göttern<br />

und Menschen“ und die Wiederangliederung an „illud tempus“, sowie der<br />

Flug als Symbol für die Überwindung der ontologischen Ebenen: das Turmspringen<br />

scheint, wie weltweit kaum eine zweite Kulthandlung, anhand von<br />

Eliades Begriffen per se erklärbar zu sein, so gut paßt – auf den ersten Blick –<br />

die beobachtbare Symbolik zu seiner Theorie. Tatsächlich jedoch deckt sich diese<br />

weder mit der emischen Perspektive der Sa noch mit der etischen Analyse des<br />

Ethnologen. Ich konstatiere nämlich für die Sa eine typisch melanesische horizontale<br />

Kosmologie, bei der der „Ursprung“, die Blütenscheide einer Kokospalme<br />

in Rebrion (vgl. Mythos I), genauso im benachbarten Urwald liegt, wie<br />

das Totenreich Lon We (vgl. Mythos IV). Die Götter sind nicht im Himmel zu<br />

finden, sondern kommen aus dem Urwald „zu Besuch“, wo sie ohnehin zuhause<br />

sind, wie man schon daran sieht, daß sie über und über mit Blättern, Lianen und<br />

sonstigem Grünzeug bedeckt sind (vgl. Abb. 40). 256 Ein Aufstieg in den Himmel<br />

über eine axis mundi wird daher durch das Turmspringen genausowenig symbolisiert,<br />

wie der Flug zu den Göttern oder eine „Sehnsucht nach dem Ursprung“.<br />

Im Gegenteil ist das gol eine Veranstaltung, die sich in erster Linie an die Anwesenden<br />

selbst richtet. Es werden Bilder entfaltet, die vor allem mit dem Motiv<br />

einer „zweiten Geburt“ zu tun haben, wie ich oben ausführlich gezeigt habe.<br />

Obwohl die vorangegengene Analyse gezeigt hat, daß Eliades Ansatz hier zunächst<br />

nicht fruchtbar gemacht werden konnte, will ich diesen dennoch nicht<br />

rundweg und pauschal für unbrauchbar erklären oder gar seine Person selbst<br />

diskreditieren, so wie das in den vergangenen beiden Jahrzehnten mehrfach geschehen<br />

ist (vgl. zuletzt Dubuisson 1993, 2005; Laignel-Lavastine 2002). Es<br />

muß konstatiert werden, daß sich trotz aller Kritik, doch immer wieder auch<br />

Forscher finden, die seinen Ansatz verteidigen, oder ihm doch wenigstens positive<br />

Aspekte abgewinnen können. Vor allem der amerikanische Religionswissenschaftler<br />

Bryan Rennie, Professor für Religionswissenschaft am Westminster<br />

College, bemüht sich seit etwa zehn Jahren mit einer eigenen Monographie<br />

(vgl.f.a. 1996), in Aufsatzbänden (2001, 2007a) und einem Reader (2007b) um<br />

eine Entideologisierung und Versachlichung der Diskussion. Auf der anderen<br />

Seite soll auch zu bedenken gegeben werden, daß es für manch einen Forscher<br />

wohl gerade die, mitunter in entschiedene Opposition mündende Auseinandersetzung<br />

mit Eliade gewesen ist, die die je nötigen Impulse für persönliche und<br />

wissenschaftliche Weiterentwicklungen gegeben hat. So wurde etwa der Eliade<br />

Schüler Bruce Lincoln von einem Apologeten zum distanzierten Kritiker. Im<br />

Jahre 1977, als man Eliade zu seinem 70. Geburtstag eine Sonderausgabe der<br />

„History of Religions“ widmete, erwähnte Lincoln in seinen Beitrag Eliade<br />

mehrfach und lobt ihn ausdrücklich: „The thought of archaic, traditional, or<br />

256 Vgl. f.a. Swain & Trompf 1995; Stöhr 1991a. Für den Hinweis, daß aus dem Busch die<br />

„Götter zu Besuch“ kommen, bin ich Thomas Bargatzky dankbar.<br />

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