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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Funktionen des gol. Versuch einer Analyse<br />

bringen, Turmspringen für seine Kunden zu veranstalten. Andererseits läßt er sie<br />

an den damit verbundenen Einnahmen keineswegs adäquat teilhaben. Er beansprucht<br />

also, mit anderen Worten, Rechte, ohne auch nur annähernd seinen<br />

Pflichten als Chief und hochrangigem warsangul nachzukommen. Rechte jedoch,<br />

von denen noch nicht einmal sicher ist, ob ein warsangul oder Chief sie<br />

überhaupt besitzt.<br />

Telkon hat es aber auch in anderer Hinsicht verstanden, seine Macht auszudehnen.<br />

Er unternimmt seit einigen Jahren unübersehbar den Versuch, in Bunlap<br />

eine Art Dynastie zu errichten. Das warsangul System der kastom Sa sieht dergleichen<br />

natürlich vor, betrachtet man Telkons Aktivitäten jedoch im Zusammenhang<br />

mit den bereits beschriebenen Strategien der remlili buluim zur Stärkung<br />

der eigenen Position im Dorf, kann man sie unschwer als deren konsequente<br />

Weiterentwicklung betrachten. Telkon versucht einerseits, seinen ältesten<br />

Sohn Warisus als gol Veranstalter und Organisator in Pentecost zu etablieren,<br />

was ihm, wie die Kap. 13.6 und 14. gezeigt haben, bereits gelungen ist. Warisus<br />

kann weder lesen noch schreiben, und versucht stattdessen, sich auf traditionellem<br />

Weg zu etablieren. Er ist ein mutiger Kämpfer, fleißiger Titelkäufer, erfolgreicher<br />

gol Organisator, guter Springer und immerhin mäßig begabter Redner<br />

(vgl. Kap. 18.8), der die Leute von Bunlap bislang im Sinne seines Vaters kontrolliert.<br />

Allerdings war zwischen 2002 und 2004 immer sichtbarer geworden,<br />

daß Warisus, als gestandener Mann, immer widerwilliger auf die ständigen, telefonisch<br />

übermittelten Anweisungen aus Vila reagierte. Telkon versucht daher<br />

außerdem, die immer noch reichlich sprudelnden gol Einnahmen dazu heranzuziehen,<br />

seinem jüngsten Sohn Bebe eine politische Karriere auf nationaler Ebene<br />

zu ermöglichen. Bebe ist fast zehn Jahre zur Schule gegangen, länger, als je ein<br />

kastom Mann vor ihm. Obwohl erst teul, ist er aufgrund seiner rednerischen Begabung<br />

und seines ökonomischen Erfolges bereits ein wichtiger Mann nicht nur<br />

in Bunlap, sondern auch darüber hinaus. Tatsächlich gelang es Telkon, seinem<br />

Sohn Bebe soviel Geld zur Verfügung zu stellen, daß dieser genügend feuchtfröhliche<br />

Wahlveranstaltungen abhalten konnte, um im Jahre 2004 mit etwas<br />

unter dreihundert Stimmen aus Pentecost – als erster Vertreter der kastom Gruppe<br />

überhaupt – ins PENAMA Provinzparlament gewählt zu werden. Diese Position<br />

verschafft ihm nun drei Jahre lang ein festes, für dortige Verhältnisse außerordentlich<br />

großzügiges Einkommen und bietet ihm die Möglichkeit, sich weiter<br />

auf der regionalen und sogar auf der nationalen politischen Bühne zu etablieren.<br />

In der traditionellen kastom Sa Gesellschaft wäre eine derartige Disproportionalität<br />

zwischen geringer Anzahl an warsangul Titeln und jugendlichem Alter einerseits,<br />

sowie tatsächlicher Macht andererseits nicht denkbar gewesen gewesen,<br />

da ein Junge in Bebe Telkons Alter nicht über die dazu notwendigen Ressourcen<br />

verfügt hätte. Es läßt sich auch deswegen nicht mit den überlieferten Normen<br />

und Traditionen begründen, weil Bebe Telkon als cleverer Geschäftsmann sei-<br />

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