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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Zur Entstehung von kastom als Lebensform & Ideologie<br />

aus Pentecost nach Queensland verbracht worden sein, davon zwischen 6,2%<br />

und 8,7% Frauen. Nach Fidschi verschiffte man ca. 961 Arbeiter, davon etwa<br />

5,2 % Frauen (Siegel 1985; Corris 1970:51). Trotz der offenkundigen Probleme,<br />

die das „Blackbirding“ auf den verschiedensten Ebenen mit sich brachte, wäre<br />

es eine verkürzte Betrachtung, würde man die Eingeborenen ausschließlich als<br />

gegen ihren Willen entführte Opfer betrachten. Jolly berichtet von Aufzeichnungen<br />

mancher Rekrutierer die aussagen, daß die jungen Männer und Frauen häufig<br />

zur Arbeit im fremden Land keineswegs überredet werden mußten, sondern<br />

im Gegenteil überaus interessiert daran waren, die Welt hinter dem Horizont<br />

kennenzulernen. Es seien hingegen häufig die Alten gewesen, mit denen es zu<br />

Konflikten gekommen sei, weil diese versucht hätten, die Jungen am Weggehen<br />

zu hindern (Jolly 1994a: 24f). Wir können hier nicht in weiteren Einzelheiten<br />

auf die Geschichte des Blackbirding eingehen, da diese für Melanesien insgesamt,<br />

als auch für Pentecost im Speziellen, schon ausführlich behandelt ist. 30<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß Südpentecost vom „Labour Trade“<br />

zwar nicht ausgespart blieb, entscheidend ist aber, daß es aufgrund der besonderen<br />

topographischen Gegebenheiten, weitaus weniger entsprechende Begegnungen<br />

gegeben hat, als etwa im Nordwesten der Insel oder in vielen anderen Teilen<br />

des Archipels.<br />

“Labour recruiters were far more active on the leeward west coast than on the windward east<br />

coast. The population in the south east was undoubtly less exposed to recruiters because of<br />

perpetually rough seas around the south east tip of the island. Most likely the prospect of kidnap<br />

and easy retreat on this shore was thereby reduced.” (Jolly 1994a: 28)<br />

Daß es zwar mitunter problematische, aber doch insgesamt betrachtet nur sporadische<br />

Kontakte mit Europäern gab, erklärt zwar noch nicht die Entstehung der<br />

kastom Bewegung an sich, gibt aber möglicherweise einige wertvolle Hinweise.<br />

Verglichen mit anderen Teilen Vanuatus blieben die Sa weitgehend unbehelligt.<br />

Weder erlitten sie allzu große Bevölkerungsverluste durch das „Blackbirding“,<br />

noch wurde ihre Kultur nachhaltig durch Heimkehrer unterwandert, die eine andere<br />

Welt kennen und manches an ihr schätzen gelernt hatten. Auf der anderen<br />

Seite hatten die Sa lange genug Zeit, so kann man mit einigem Recht argumentieren,<br />

ihr kulturelles Selbstverständnis langsam einer sich verändernden Welt<br />

anzupassen, ohne dabei an Selbstvertrauen zu verlieren oder gar einen traumatischen<br />

Kulturschock zu erleiden, wie es andernorts in unzähligen Fällen vorgekommen<br />

ist (vgl. Lane 1956:146). Daß ein Vertrauen in die eigene Kultur möglich<br />

war beruht nicht zuletzt auch auf manchen Zufällen während der zweiten<br />

Phase des Kontaktes, die wesentlich länger anhalten sollte und sich als viel<br />

nachhaltiger erwies: die Zeit der Missionierung zwischen 1898 und der Unabhängigkeit<br />

Vanuatus im Jahr 1980.<br />

30 Vgl. Jolly 1987; Price and Baker 1976; Siegel 1985; Corris 1970 & 1973.<br />

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