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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Die zweite Geschichte des gol: Revitalisierung durch Tourismus<br />

sich nach wie vor zu kastom bekennt. Ob er tatsächlich das Gerücht gestreut hat,<br />

daß von Bunlap eine „general revolt“ (Jolly 1994b:45) ausgehe, ist unklar. Er<br />

selbst, so Jolly, hat in den siebziger Jahren ihr gegenüber diesen Vorwurf bestritten.<br />

Vielmehr habe er lediglich dem Pastor von Ranbutor, einem Ni-Vanuatu mit<br />

Namen Bilaol, gemeldet, daß Bong ein Gewehr besitze und damit andere bedrohe<br />

(Jolly 1994b:45). Dieser Vorwurf klingt durchaus nicht überzogen, zieht man<br />

folgendes in Betracht: erstens gehörte Bong der remlili buluim an, die bis heute<br />

in dauernde Fehden mit vielen anderen buluim innerhalb und außerhalb Bunlaps<br />

verstrickt ist, wie ich schon früher gezeigt habe. Zweitens traut man Bong schon<br />

deswegen einiges zu, da er viele Jahre bei den amerikanischen Streitkräften in<br />

Santo zunächst als Laufbursche und später als Truck- und Bulldozerfahrer gearbeitet<br />

hat. Drittens kursieren zu dieser Zeit noch Dutzende, wenn nicht Hunderte<br />

von Feuerwaffen überall in Pentecost. 199 Aus all diesen Gründen scheint es nicht<br />

unwahrscheinlich, daß der damals etwa 35jährige Bong ein hitzköpfiger Unruhestifter<br />

ist. Bilaol leitet Lukes Beschwerde an den australischen Pastor Smith<br />

weiter, der sich, mit Hilfe des australischen Plantagenbesitzers Oskar Newman,<br />

unverzüglich per Radiotelefon mit den Regierungsbehörden in Santo (nicht in<br />

Malakula, wie Chief Warisul glaubt) in Verbindung setzt. Aus Hörensagen und<br />

vagen Vermutungen hat sich zwischenzeitlich eine richtiggehende Verschwörungstheorie<br />

entwickelt, denn Smith meldet den Behörden, daß im Sa Gebiet<br />

eine großer Aufstand im Gange sei. Die kastom Leute bereiteten Krieg vor, sie<br />

erwarteten das Ende der Welt, den Untergang der Weißen und wollten die<br />

christlichen Kirchen zerstören. Vielleicht wittert der Church of Christ Mann<br />

Smith eine Chance, den ungeliebten kastom Dörfern Schaden zuzufügen, anders<br />

ist seine völlig überzogene Darstellung kaum zu erklären (vgl.a. Jolly<br />

1994b:44). Jedenfalls setzt seine Nachricht tatsächlich eine zwanzigköpfige Regierungstruppe<br />

in Bewegung, die bereits am nächsten Tag, Mittwoch den 3. Juni<br />

1952 in Pentecost eintrifft. Das erste kastom Dorf, das die Soldaten nach einem<br />

anstrengenden Nachtmarsch erreichen, ist Lonlibilie. Von einer Verschwörung<br />

ist hier jedoch nichts zu sehen oder zu hören, die Bewohner schlafen vielmehr<br />

tief und fest, erst der Lärm der Militärs weckt sie auf. Der verärgerte Chief Samson<br />

kann glaubhaft versichern, daß es keine Verschwörung oder dergleichen gebe,<br />

so daß die Truppe unverrichteter Dinge weiterzieht. Am frühen Morgen erreicht<br />

sie dann Bunlap und in der Tat sind hier, so müssen die Europäer vermuten,<br />

Kriegsvorbereitungen in vollem Gange: Ein Dutzend geschlachteter<br />

Schweine liegt auf dem Tanzplatz in ihrem eigenen Blut, die Frauen sind grell<br />

geschminkt, rot und schwarz leuchten ihre Gesichter. Auf dem Dorfplatz wird<br />

die Slit Gong geschlagen. Tatsächlich aber wird in Bunlap lediglich ein großes<br />

warsangul Titelritual gefeiert. Das Dorf wird umstellt, jedes Haus durchsucht.<br />

Auch die sensibelsten Orte des Dorfes, die Männerhäuser, werden ungefragt betreten<br />

und durchstöbert, was in den Augen der Sa einem Sakrileg gleichkommt.<br />

199 Diese Waffen sind erst nach der Unabhängigkeit Vanuatus im Jahre 1980 von der Regierung<br />

beschlagnahmt worden.<br />

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