20.11.2013 Aufrufe

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Die zweite Geschichte des gol: Revitalisierung durch Tourismus<br />

während vieler Turmspringen gesungen wurde: „The memory of this incident –<br />

the humiliations of this enforced performance – are still evoked in a bitter and<br />

ironic song which is sung at many land diving rituals.” (Jolly 1994b:48). In der<br />

Tat gibt es dieses Lied, ich konnte es während meiner Forschung im Jahre 2004<br />

aufnehmen und habe es bereits in Kap. 13.7 erwähnt. Ganz so „bitter“ wie Jolly<br />

schreibt ist es nicht. Vielmehr zeichnet es einfach die Vorkommnisse des Jahres<br />

1952 nach.<br />

Ich schließe mich einer Bewertung Margaret Jollys an die meint, daß der Zwischenfall<br />

ganz deutlich zeigt, wie groß die Kluft zwischen kastom und manchen<br />

skul Dörfern in den 50er Jahren tatsächlich war. In den Jahren zwischen etwa<br />

1935 und 1980 begriffen die konvertierten skul Dörfer sich als Teil der überlegenen<br />

kolonialen Macht und betrachteten die kastom Anhänger als unterlegene<br />

Außenseiter. Dazu beweist die Episode, daß die Führer der skul Gemeinden über<br />

unmittelbaren Zugang zur militärischen Macht der Europäer verfügten. Den kastom<br />

Dörfern blieb, angesichts ihrer militärischen und zahlenmäßigen Unterlegenheit,<br />

nichts übrig als der Rückzug in eine Art stillen, bitteren Widerstand, der<br />

direkte, gewalttätige Konfrontation vermeidet, die kulturelle Eigenständigkeit<br />

dafür aber dort um so vehementer betont, wo es möglich ist: im eigenen Territorium.<br />

Andererseits zogen die kastom Anhänger offenkundig die Neugier der<br />

herrschenden Europäer auf sich, denn im deutlichen Gegensatz zu den Missionaren,<br />

vor allem den protestantischen, hatten die Kolonialherren offenbar zunehmend<br />

Spaß daran, diesen spektakulären Brauch der Sa öffentlich vorführen zu<br />

lassen. 202 Hier zeigt sich, allerdings auch, wie pragmatisch manche skul Gruppen<br />

mit dem vermeintlichen Widerspruch zwischen alter und neuer Ideologie umgehen.<br />

Nach dem erfolgreichen Turmspringen von Chief Bong für die Kolonialregierung<br />

reagieren z.B. die Katholiken von Murubak ganz undogmatisch. Sie bitten<br />

ihren Priester, den Elsässer Louis Schir, beim Bischof in Vila zu intervenieren,<br />

damit auch sie kommerzielle Turmspringen veranstalten dürften (Lane<br />

1956:70), wozu es kurz darauf tatsächlich auch kommen wird.<br />

14.2 Kiliman: Kommerzialisierung des gol 1955 - 1990<br />

Wenige Jahre nach diesem ersten „bezahlten“ gol in Südpentecost 1952 wird<br />

zum zweiten Mal ein bezahltes Turmspringen für Fremde veranstaltet, diesmal<br />

in Point Cross an der Südspitze der Insel. Um zu klären, wie es dazu kam, ist<br />

eine kurze Vorrede notwendig: Um das Jahr 1950 rodet eine Gruppe von Männern<br />

aus Bunlap ein Stück Busch oberhalb von Baie Martelli und gründet dort<br />

eine Siedlung mit Namen Rantealing. Weil ungünstig im Wald gelegen, wird der<br />

202 Dies wiederum führt zu einer gewissen Verunsicherung, ja zu Neid der christianisierten<br />

Sa, da diese glauben, sich „richtig“ zu verhalten, weil sie tun, was von ihnen verlangt wird:<br />

sie befolgen die neue Ideologie und haben die alten Sitten und Gebräuche weitgehend abgelegt.<br />

Die Anhänger der „Church of Christ“, die besonders radikal gegen die alte Kultur vorgegangen<br />

sind, fühlen sich dabei besonders zurückgesetzt.<br />

- 267 -

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!