20.11.2013 Aufrufe

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Symbolische Dimensionen des gol. Versuch einer Analyse<br />

per Schaden zuzufügen. 255 Wenn man hingegen vom tarbe-gol gesprungen ist,<br />

hat dieser seinen Zweck erfüllt und man kann ihn beruhigt abreißen. Solche und<br />

ähnliche, meist eher beiläufig gemachten Aussagen, unterstreichen die implizite<br />

Annahme über die prokreative Potenz des tarbe-gol, der, als ein von Männern<br />

geschaffenes Wunderwerk, ihre Fruchtbarkeit im Allgemeinen, und ihre Fähigkeit<br />

zur „zweiten Geburt“ im Speziellen, eindrucksvoll symbolisiert.<br />

Abschließend muß erwähnt werden, daß die Entdeckung dieses Motivs keinesfalls<br />

neu oder gar einzigartig ist. Die österreichische Feministin und Philosophin<br />

Ingvild Birkhan hat vor einiger Zeit mit dem Oxymoron „todbringende Weiblichkeit“<br />

bzw. „prokreative Männlichkeit“ den Mann-Frau Dualismus als coincidentia<br />

oppositorum darzustellen verstanden (Birkhahn 1993). Dem Ethnologen<br />

Klaus E. Müller gelang in seiner großangelegten kulturvergleichenden Studie<br />

der aus ethnologischer Sicht überzeugende Nachweis, daß der Mann-Frau Dualismus<br />

in allen menschlichen Gesellschaften thematisiert wird, mithin also als<br />

ein universelles Phänomen betrachtet werden kann. Wie dieses grundsätzliche<br />

Problem allerdings gehandhabt wird, ist von Kultur zu Kultur durchaus unterschiedlich<br />

(Müller 1984). Zu den ersten Forschern, die konkret auf das Phänomen<br />

der Nachahmung weiblicher Körperfunktionen in der männlichen Gestaltung<br />

von Kultur aufmerksam machten, gehörten Margaret Mead (1947) und<br />

Bruno Bettelheim (1975), allerdings wurde dem Thema erst seit den 1970er Jahren<br />

breitere Aufmerksamkeit zuteil. In Deutschland hat sich Gisela Völger seit<br />

Mitte der 1980er Jahre in drei großangelegten Ausstellungs- und Buchprojekten,<br />

zusammen mit einer Vielzahl von Autoren, dem Mann-Frau-Dualismus gewidmet<br />

(Völger 1985; 1990; 1997). In dem von ihr konzipierten Katalog „Männerbünde,<br />

Männerbande. Zur Rolle des Mannes im Kulturvergleich“ (1990) hat sie<br />

z.B. zahlreiche Beispiele aufführen lassen, die zeigen, wie Aufnahmeriten in<br />

Geheim- oder Initiationsbünde, Kriegerkasten etc. mit einer ausgeprägt weiblichen<br />

Symbolik verbunden sind, die teils sehr drastisch den eigentlichen Geburtsvorgang<br />

nachahmen. Männer, so belegt sie, versuchen auf der ganzen Welt<br />

die männlichen Nachkommen einer nachgeburtlichen Behandlung zu unterziehen,<br />

um das noch unfertige Wesen durch erneute Geburt(en) zum „richtigen“<br />

Menschen zu machen. Als Autorin ist sie dabei selbst ganz explizit auf das Phänomen<br />

der Männergeburten eingegangen und beschreibt etwa das Männerkindbett,<br />

die sogenannte Couvade, die mythische Geburt der Athene aus dem Körper<br />

des Zeus oder die Vorstellung von Eva als der „Tochter“ Adams (Völger<br />

1997a).<br />

Werfen wir, auf der Grundlage der hier erarbeiteten Einsichten, noch einen letzten<br />

Blick auf unseren Versuch, Eliades „kreative Hermeneutik“ auf den Fall des<br />

255 Ich spreche hier von “Verschwendung”, weil der Wert eines Menschenlebens sich, in den<br />

Augen der Sa, in weitaus höherem Maß an seinem materiell verwertbaren Nutzen bemißt, als<br />

man dies zunächst von den westlichen Gesellschaften annehmen möchte.<br />

- 329 -

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!