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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Gol - ein kastom der Sa: Das Mitteilbare<br />

veranstalten soll, oder nicht. 167 Über die Gründe dafür will ich hier einstweilen<br />

noch nicht spekulieren, dies wird uns im dritten Teil der Arbeit noch ausführlich<br />

beschäftigen. Offenbar ist es jedoch nicht unbedingt vorgesehen, in jedem Jahr<br />

ein Turmspringen durchzuführen. Mehrere Informanten bestätigten, daß es immer<br />

wieder Jahre gegeben hat, in denen man weder in Bunlap noch in den umliegenden<br />

kastom Dörfern oder anderswo im Sa Gebiet Turmspringen veranstaltete.<br />

Es hängt ganz davon ab, so meinen sie, ob die Jungen und Männer des Dorfes<br />

„Lust“ dazu haben, oder nicht. Auch Muller berichtete, daß es Jahre gebe, in<br />

denen kein Turmspringen stattfinde. 168 Muller führt den Umstand darauf zurück,<br />

daß mitunter schlicht zuviel Arbeit in den Gärten bewältigt werden müsse, oder<br />

es an Arbeitskräften fehle, weil viele Männer sich auf anderen Inseln aufhielten,<br />

um Geld zu verdienen (Muller 1971:219). Seit einigen Jahrzehnten, so muß man<br />

ergänzen, spielt in mindestens ebenso hohem Masse eine Rolle, ob zahlende<br />

Kundschaft das gol zu sehen bzw. zu filmen wünscht.<br />

Betrachten wir nun, wie ein Turmbau in Bunlap gehandhabt wird: Ist die Entscheidung<br />

für den Bau eines gol gefallen, sieht die „Tradition“ folgendes vor:<br />

der Mann, der den ersten Schlag tut, mit dem der erste Baum für das Bauwerk<br />

gefällt wird, soll auch vom Kopf des Turmes springen. 169 Es sollte sich dabei<br />

stets um einen erfahrenen Turmbauer und -springer handeln, andernfalls würde<br />

er sich diese schwierige Aufgabe ohnehin nicht zutrauen und die übrigen Männer<br />

ihn nicht unterstützen. Hier wird deutlich, daß die Entscheidung, einen Turm<br />

zu bauen, zwar kollektiv getroffen wird, es aber doch in der Regel der entschlossenen<br />

Tatkraft eines Einzelnen bedarf, die Sache entschieden voranzubringen,<br />

Arbeitskraft und Material zu organisieren, für die Einhaltung bestimmter Tabus<br />

zu sorgen und teilweise sogar Verpflegung bereitzustellen. Aus den genannten<br />

Gründen halte ich es für angemessen, einen Mann, der diese verantwortungsvolle<br />

Aufgabe übernimmt, „Organisator“ zu nennen. 170 Die Sa selbst haben keinen<br />

speziellen Begriff dafür, vielmehr wird man einfach den Turm nach ihm benen-<br />

167 Da juban, nach einer Pause von mehreren Jahrzehnten, erst seit dem Jahr 2001 wieder aufgeführt<br />

wird, muß diese Beobachtung um die Feststellung ergänzt werden, daß die Vorbereitungen<br />

für das gol in den Jahren ohne juban einige Tage nach der ersten Yamsernte des Jahres<br />

begann.<br />

168 Zuletzt war dies in Bunlap übrigens im Jahre 2001 der Fall.<br />

169 Wie weit diese „Tradition“ zurückreicht, bzw. wie wenig eng sie möglicherweise ausgelegt<br />

wird, zeigt eine Beobachtung von Kal Muller. Der meint nämlich, daß es sich nicht unbedingt<br />

um den ersten Axthieb handeln müsse, sondern daß der „Organisator“ lediglich einen von<br />

mehreren Bäumen fällt, die später als Hauptpfeiler des Turmes fungieren (Muller 1971:223).<br />

Eine Notiz von mir aus dem Jahre 2002 besagt daß, obwohl Warisus den ersten Baum für den<br />

Turm gefällt hatte, nicht er, sondern der etwa 30-jährige Bong Aya aus Bunlap, einer der besten<br />

Springer in Pentecost, von der Spitze des gol sprang.<br />

170 Den Mann, den ich „Organisator“ genannt habe, nennt Muller ‚maitre’ (1971:223). Auch<br />

er hat also beobachtet, daß ein einzelner Mann eine herausgehobene Position einnimmt, ohne<br />

daß die Sa ein spezielle Bezeichnung für ihn hätten.<br />

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