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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Funktionen des gol. Versuch einer Analyse<br />

er, soviel ist bis heute überliefert, zum Wohl der Gemeinschaft und zum Schutz<br />

der kastom Ideologie ein, deren Vorzüge er, nach innen wie nach außen, hartnäckig<br />

verteidigte. Abgesehen von dem bereits behandelten Turmspringen für<br />

Kal Muller lehnte Bong eine Kommerzialisierung des gol offenbar weitgehend<br />

ab, diese wurde erst nach seinem Tod eingeleitet, als sein Bruder Telkon Watas<br />

zum Chief gewählt wurde. Hier jedoch setzte eine Entwicklung ein, die bestenfalls<br />

noch vordergründig mit den überlieferten Normen und Traditionen der kastom<br />

Sa zur Deckung zu bringen ist. Dafür sehe ich mehrere Gründe:<br />

Erstens beruht Telkons Autorität nur noch zum Teil auf der Autorität des warsangul,<br />

der ja ein „primus inter pares“ sein soll. Vielmehr bezieht Telkon seine<br />

Macht heute zu einem großen Teil aus Geldern, die er durch den gol Tourismus<br />

und den Verkauf von Filmrechten am Turmspringen einnimmt. Hier zeigt sich<br />

übrigens, wie der Forscher das Erforschte verändert. Es war nämlich der Kontakt<br />

zu Kal Muller, der Telkon die Idee einer weitergehenden Vermarktung des<br />

gol erst entwickeln ließ (vgl. Kap. 14). Dadurch, daß Telkon es verstanden hat,<br />

diese Ressource mehr oder weniger exklusiv für seine eigenen Interessen zu<br />

nutzen, entstand ein ökonomisches Gefälle, das in einer Gesellschaft, in der alle<br />

mehr oder weniger das Gleiche tun, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, bis<br />

dato vollkommen unbekannt war. Allerdings hat auch Telkon die Denkgewohnheiten<br />

seiner Kultur keineswegs gänzlich verlassen können, sondern er investierte<br />

in den 1970er, und 80er Jahren noch große Teile seiner Gewinne in seinen<br />

Aufstieg innerhalb des Titelsystems, um seinen ökonomischen Erfolg auch symbolisch<br />

zu legitimieren bzw. abzusichern. 293 Allerdings beruhte dieser Aufstieg,<br />

weil er ihn nicht mehr unmittelbar mit seiner eigenen Arbeitskraft in den Gärten<br />

und bei der Aufzucht von Schweinen bezahlte, sondern mit den beim gol verdienten<br />

Geldern, bereits nur noch teilweise auf dem überlieferten, traditionellen<br />

Weg. Zwar versuchte Telkon, mit einem Teil der Einkünfte aus dem gol, einige<br />

Projekte zum Wohl seines Dorfes Bunlap-Bena zu lancieren, keinem davon war<br />

jedoch längerfristiger Erfolg beschieden. Die Anschaffung eines Speedbootes,<br />

das zum Warentransport gedacht war und Gewinn abwerfen sollte, erwies sich<br />

als ebenso ruinös wie der Kauf eines Geländewagens zum gleichen Zweck. 294<br />

Ein Dieselgenerator, der Mitter der 80er Jahre mitten im Wald, mehrere Kilometer<br />

vom Dorf entfernt in einem kleinen Häuschen untergebracht wurde, wo er als<br />

Wasserpumpe eingesetzt werden sollte, funktionierte nur einige Monate, da<br />

niemand in Bunlap ihn sachgemäß betreiben oder gar warten konnte. Auch die<br />

zu dieser Zeit extra verlegten Wasserleitungen ins Dorf sind längst unbrauchbar,<br />

so daß bis heute jeder Liter Wasser mehrere Kilometer weit ins Dorf getragen<br />

293 Es kann wohl als erwiesen gelten, daß Menschen Traditionen in der Regel nicht radikal<br />

aufgeben, sondern eher Stück für Stück und das auch nur dann, wenn sie eine glaubhafte Alternative<br />

für Altbekanntes erkannt zu haben glauben (vgl. Evans-Pritchard 1978; vgl. auch<br />

Keesing & Strathern 1998)<br />

294 Das Boot ging, samt zwei Außenbordmotoren, kaputt und ist inzwischen verschollen. Der<br />

Geländewagen existiert immer noch, er wird als Privatfahrzeug von Telkon in Port Vila genutzt.<br />

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