20.11.2013 Aufrufe

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Verwandtschaft<br />

11.2 Verwandtschaft als Verpflichtung und chancenreicher Weg: lo sal<br />

Die kastom Sa stehen mit den Verwandten der eigenen Mutter (Männer wie<br />

Frauen), sowie mit denen der eigenen Ehefrau (nur Männer) über eine bestimmte<br />

Form des lebenslangen Austausches, die lo sal genannt wird, in einer speziellen,<br />

unauflösbaren Verbindung. Lo sal bedeutet soviel wie „auf“ bzw. „im“ (lo)<br />

„Weg“ bzw. „Pfad“ oder „Strasse“ (sal). Gemeint ist, daß Frauen (Mütter und<br />

Ehefrauen), metaphorisch gesprochen, einen „Weg“ oder „Pfad“ zu anderen<br />

(nämlich den Verwandten der Mütter bzw. Ehefrauen) darstellen (vgl. Jolly<br />

1994a:109). Lo sal ist eine typische do ut des Einrichtung, mit der eine langfristige<br />

Reziprozität von Gaben zwischen den Akteuren sichergestellt werden soll<br />

(vgl. f.a. Mauss 1968). Konkret verpflichtet lo sal den Geber, sich für die Arbeits-<br />

und Reproduktionskraft der Mutter oder Ehefrau bei deren Verwandten zu<br />

bedanken und mit seinen Gaben das vergossene Blut zu sühnen, das beim ersten<br />

Geschlechtsverkehr bzw. bei der Geburt von Kindern fließt. Die lo sal Riten bestehen,<br />

je nach Kategorie, aus einer Gabe von Schweinen und roten batsi Matten,<br />

oder aber aus der Präsentation von Yams- oder Taroknollen. Diese Verpflichtungen<br />

begleiten alle wesentlichen dramatischen Zuspitzungen bzw. Übergangsrituale<br />

des Lebens, also Geburt, Beschneidung, Heirat, Tod sowie alle<br />

warsangul Rituale. Wer seinen lo sal Obligationen nicht nachkommt gefährdet<br />

die Ordnung und läuft Gefahr, sich bösen Verwünschungen und auch Zauberei<br />

der zu kurz gekommenen potentiellen Empfänger auszusetzen. Jolly beschreibt<br />

drei verschiedene Arten von lo sal Konstellationen (1994a:109ff):<br />

1. Die erste Kategorie von lo sal Verpflichtungen hat man (Mann und Frau)<br />

gegenüber den Verwandten der Mutter, etwa dem tatsächlichen und klassifikatorischen<br />

Vater der Mutter tsibin (MF); den Brüdern der Mutter tsin<br />

(MB) sowie deren Kindern utnan. Abhängig vom Alter der lo sal pflichtigen<br />

Kinder, werden jedoch in der Regel der Vater, oder dessen Verwandte,<br />

die lo sal Schulden begleichen, die anläßlich Geburt, Beschneidung,<br />

Heirat oder Tod fällig werden.. Das Ritual wird in der Regel einer bestimmten<br />

„Mutter“ (tatsächlich oder klassifikatorisch) gewidmet, die auch<br />

namentlich genannt wird, diese ist aber tatsächlich nur Stellvertreterin für<br />

alle anderen Frauen in dieser Kategorie. Wird z.B. ein Schwein geschlachtet,<br />

übergibt es der Initiand (oder dessen Vertreter) einem bestimmten<br />

tsik (MB) der es jedoch unter allen lo sal Empfängern aufteilen<br />

muß. Die Empfänger selbst sind offiziell übrigens nicht die namentlich<br />

genannten Frauen, sondern lediglich die Männer und die noch unverheirateten<br />

Frauen aus der betreffenden Gruppe. Inoffiziell wird das Fleisch jedoch,<br />

meinen eigenen Beobachtungen zufolge, gleichmäßig unter den entsprechenden<br />

Familien, Männern, Frauen und Kindern, aufgeteilt.<br />

2. Die zweite Kategorie betrifft die Schulden, die ein Mann gegenüber den<br />

Verwandten seiner Frau hat, in erster Linie an den ingik (WB, WF, WFB).<br />

Der WF wird dafür entschädigt, daß er seine Tochter dem Ehemann über-<br />

- 153 -

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!