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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Die zweite Geschichte des gol: Revitalisierung durch Tourismus<br />

Wenn man in Betracht zieht, daß zu manchen gol-Veranstaltungen nur drei oder<br />

vier Besucher kommen, wird klar, daß nicht alle Turmspringen finanziell erfolgreich<br />

sind, im Gegenteil. Erst wenn zehn oder mehr zahlende Gäste eintreffen,<br />

ändert sich das Verhältnis zwischen Einnahmen und den nicht unbeträchtlichen<br />

Ausgaben für Turmbau, Sänger, Tänzer, Springer, Organisator, Vermittler und<br />

Reiseagentur. Dazu ein Rechenbeispiel: im Jahre 2004 erhielten die Bauleute ca.<br />

500 Vatu pro Tag. 224 Wenn man davon ausgeht, daß zehn Bauleute fünfzehn<br />

Tage brauchen, um einen mittelgroßen Turm zu errichten, ergeben sich jährliche<br />

Fixkosten alleine für den Turmbau von 75.000 Vatu. Zählt man dann pro Veranstaltung<br />

ein Minimum von zehn Tänzern hinzu, die alle jeweils 1000 Vatu erhalten,<br />

sowie die Springer die, je nach Höhe ihres Sprungbrettes, bis zu 5000 Vatu<br />

verdienen, ergeben sich bei je zehn Tänzern und Springern zusätzliche Kosten<br />

pro gol von etwa 30.000 Vatu. Da durchschnittlich vier Sprünge im Jahr abgehalten<br />

werden sollen, muß dieser Wert mit dem Faktor vier multipliziert werden.<br />

Rechnet man dann noch die Kosten für den Turmbau hinzu, ergibt sich ein<br />

jährlicher Fixkostenfaktor von ca. 195.000 Vatu. Hier sind noch nicht mitgerechnet:<br />

die Kosten für die Schnittstellenfunktion der Reiseagenturen, die Vermittlertätigkeit<br />

des lokalen Veranstalters sowie Kosten für Organisation und<br />

Bauleitung, was insgesamt nochmals mit mindestens 150.000 Vatu zu Buche<br />

schlägt. Insgesamt kommt ein gol Veranstalter also erst ab einem jährlichen<br />

Umsatz von ca. 350.000 Vatu in die Gewinnzone. Mit anderen Worten muß er<br />

mindestens fünfzig zahlende Gäste im Jahr haben, um seine beträchtlichen Ausgaben<br />

wettzumachen. Da die Zahl der Besucher aber nicht in gleichem Masse<br />

angestiegen ist, wie die Anzahl an Veranstaltungen, lassen sich beim gol Tourismus<br />

manche Elemente eines harten wirtschaftlichen Wettbewerbes beobachten.<br />

Nicht selten kommt es zu Zwischenfällen, in denen sich, neben einer gewissen<br />

Willkür bzw. Unverfrorenheit mancher Veranstalter, auch der finanzielle<br />

Druck zeigt, unter dem diese stehen. So ist es z.B. schon vorgekommen, daß<br />

konkurrierende gol Unternehmer Touristen noch am Flugplatz in Lonoror von<br />

einem bereits gebuchten Turmspringen abgeworben und, mitunter sogar ohne<br />

deren Wissen, zu ihren eigenen Sprüngen gebracht haben, wo die hilflosen Besucher<br />

dann bisweilen sogar ein zweites Mal abkassiert wurden. Ich habe auch<br />

von Fällen gehört, wo schon bezahlte Turmspringen aus diffusen Gründen gar<br />

nicht abgehalten wurden, ohne daß die Besucher entschädigt worden wären. Ein<br />

solcher Fall, der im letzten Moment dann doch noch gut ausging, ereignete sich<br />

z.B. im Jahr 2002. Ein deutscher Segler berichtete mir, daß er an einem Samstag<br />

im Mai zusammen mit seiner Schwester ein von Luc Fago angekündigtes gol in<br />

ihren Augen ohnehin schon teure Veranstaltung betrachtet. Photographieren oder Filmen halten<br />

die Touristen nämlich in der Regel für ihr ausgesprochenes Recht. Die Sa hingegen betrachten<br />

das Anfertigen reproduzierbarer Bilder als eine potentielle Einkommensquelle, an der<br />

sie beteiligt werden wollen.<br />

224 Dieser Betrag entspricht, wie wir in Kap. 12.3 gesehen haben, in etwa dem Gegenwert von<br />

15 Filterzigaretten. Das sollte man bedenken, bevor man als Besucher vorschnell über die<br />

vermeintlich so hohen Kosten der Veranstaltung zu lamentieren beginnt.<br />

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