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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Verwandtschaft<br />

Durch einen derartigen Tausch entstehen wünschenswerte Allianzen, wenn die<br />

zukünftigen Partner aus unterschiedlichen buluim kommen, und so ihren lo sal<br />

Verpflichtungen nachkommen können und abzulehnende Allianzen, die das soziale<br />

Gefüge stören, wenn es sich um Kandidaten aus der gleichen buluim handelt.<br />

Ein zentrales Element aller Verbindungen ist der Brautpreis oder kot. 114 Er besteht<br />

bei den Sa aus roten batsi Matten, Haushaltsgegenständen wie Aluminiumtöpfen,<br />

Geschirr, Seife oder Stoffe sowie der Gabe von Schweinen, Knollen und<br />

vor allem Geld. In den Jahren 2002 und 2004 konnte ich an mehreren Hochzeiten<br />

teilnehmen, bei denen der Brautpreis zwischen 33.000 (ca. € 200,-) und<br />

51.000 Vatu (ca. € 300,-) betrug. Er wird von der Familie des Bräutigams sowie<br />

deren Verwandten bezahlt, aber auch von Freunden der Familie oder all denjenigen,<br />

die, z.B. aus politischen Gründen, „gutes Wetter“ machen wollen, denn<br />

jeder, der dem jungen Mann geholfen hat, seine, wie die Sa selbst sagen „Frau<br />

zu bezahlen“, bleibt lange in positiver Erinnerung. Umgekehrt sind die Empfänger<br />

des Brautpreises in der Familie der Braut zu suchen, wobei ihr Vater als Familienvorstand<br />

in der Regel den größten Anteil einbehalten wird. Allerdings<br />

muß er sehr genau darauf achten, daß er einen guten Teil des Geldes an andere<br />

Verwandte des Mädchens weitergibt, vor allem an solche, die sie auf ihrem bisherigen<br />

Lebensweg materiell unterstützt oder anderweitig begleitet haben. Die<br />

Höhe des Brautpreises ist abhängig von verschiedenen Faktoren. Je gesünder,<br />

jünger und sexuell attraktiver das Mädchen ist, desto höher wird der Brautpreis<br />

ausfallen. Auch Jungfräulichkeit, mindestens aber eine möglichst unbescholtene<br />

sexuelle Vergangenheit, spielen eine positive Rolle. Ist eine Frau schon älter,<br />

oder krank, ist sie durch mehrfache Scheidungen oder Affären aufgefallen, hat<br />

sie vielleicht schon Kinder auf die Welt gebracht oder ist gar bereits unfruchtbar,<br />

wird der Brautpreis entsprechend niedriger ausfallen. Der Brautpreis entschädigt<br />

die Familie der Braut für den Verlust einer wertvollen Arbeitskraft und<br />

honoriert ihre Fruchtbarkeit sowie ihre sexuelle Attraktivität. Bei einem Schwesterntausch<br />

ist der Brautpreis in der Regel um etwa ein Drittel niedriger, da die<br />

Frauen ja zeitgleich ausgetauscht werden und es daher zu keinem Verlust an Arbeitskraft<br />

für die beteiligten Familien kommt (vgl. Jolly 1994a:132f).<br />

Scheidung ist bei den Sa nicht unbekannt, wenngleich sie nicht allzuhäufig vorkommt.<br />

Der Grund für eine Scheidung ist meist Ehebruch, wobei Jolly in den<br />

70er Jahren eine prozentual höhere Zahl von geschiedenen Ehen aufgrund eines<br />

Ehebruches der Frau beobachtet hat, was sie allerdings, wie sie einschränkend<br />

hinzufügt, auf einen „double standard“ zurückführt, wonach Frauen außereheliche<br />

Eskapaden ihrer Männer viel eher zu akzeptieren hätten als es umgekehrt<br />

der Fall war. Eine Ehe kann aber auch dann geschieden werden, wenn die Ehe<br />

kinderlos bleibt oder die jungvermählte Braut sich überhaupt weigert, mit dem<br />

Ehepartner zu schlafen oder umgekehrt. In diesen Fällen wird der Brautpreis in<br />

114 Vgl. Tattevin 1926:270, 396; Jolly 1994a:132; Singer 1973; Meillassoux 1978.<br />

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