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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Titel, Magie, Geld, Rhetorik, Mut: Bemerkungen zum Ethos der Sa<br />

ten Kavawurzeln etwas Geld zu verdienen. Die Wurzeln werden an die Westküste<br />

nach Pangi getragen, von dort nach Port Vila verschifft und an die vielen<br />

Kava Bars weiterverkauft. 160 Im Jahr 2004 erhielt man für einen Sack frischer<br />

Kava von ca. 50 Kilogramm Gewicht etwa 4000 Vatu, was dem Gegenwert eines<br />

mittelgroßen Kochtopfes aus massivem Aluminium entspricht. Die getrocknete<br />

Kava wird meist in Port Vila von Zwischenhändlern auf- bzw. weiterverkauft<br />

und ist in der Regel für den Export nach Übersee bestimmt, wo man sie zu<br />

Arzneimitteln weiterverarbeitet. Dabei liegt es auf der Hand, daß nicht jedermann<br />

wegen ein oder zwei Kavasäcken die teure Reise nach Port Vila selbst antreten<br />

kann. Deshalb gibt man die Säcke einem Vertrauensmann, der jedoch<br />

nicht selten aufgrund fehlender Rechenkenntnisse übers Ohr gehauen wird, oder<br />

aber das verdiente Geld an Ort und Stelle ausgibt. Da derartige Pannen an der<br />

Tagesordnung sind, wird niemand mit dem Anbau bzw. dem Verkauf von Kava<br />

wirklich „reich“, allerdings zahlt sich auf lange Sicht doch aus, ob man ein tüchtiger<br />

Kavagärtner ist oder nicht: sechs Sack frischer Kava stellen, nach Abzug<br />

aller Kosten, immerhin den Gegenwert von drei mittelgroßen Schweinen dar.<br />

Eine andere Möglichkeit zu Geld zu kommen besteht im Verkauf von handwerklichen<br />

Arbeiten an Touristen. Viele Frauen sind sehr geschickt im Flechten<br />

von Taschen, Penisbinden, Matten oder Körben und verkaufen diese an die zwei<br />

handvoll Touristen, die jedes Jahr nach Bunlap kommen oder geben ein paar<br />

Taschen oder Matten ihrem Mann oder Vater, sollte dieser einmal eine Reise in<br />

die Hauptstadt oder nach Santo unternehmen, wo er sie vielleicht verkaufen<br />

kann. Wenn man in Betracht zieht, daß es zwischen drei und fünf Abenden dauert,<br />

z.B. eine Tasche herzustellen, die dann etwa 400 bis 700 Vatu kosten, so<br />

wird deutlich, daß auch mit dieser Arbeit lediglich ein geringer Gewinn zu erzielen<br />

ist, dennnoch für Frauen praktisch die einzige Möglichkeit, an Bargeld zu<br />

kommen. Ein bißchen besser bestellt ist es um den Verkauf der juban Masken,<br />

die seit etwa zwei Jahrzehnten wieder regelmäßig in Bunlap geschnitzt werden.<br />

Eine Maske herzustellen nimmt etwa drei bis sechs volle Tage in Anspruch und<br />

bringt, je nach Größe und Form, zwischen 2000 und 7000 Vatu ein. Mitunter<br />

können die Schnitzer ein, zwei Masken an europäische Besucher, etwa die Mitarbeiter<br />

eines Fernsehteams, verkaufen, oder man verfährt wie mit Kava und<br />

anderen handwerklichen Erzeugnissen und vertraut einem Freund oder Vertrauten<br />

seine Masken an. Dieser kann dann versuchen, sie an einen der vielen Souvenirläden<br />

in Port Vila zu verkaufen. Schließlich muß hier noch die Möglichkeit<br />

erwähnt werden, Geld mit dem Bau oder der Teilnahme an den vielen gol zu<br />

verdienen, die regelmäßig auf der Westseite der Insel für Touristen veranstaltet<br />

werden. Aber auch hier fällt der Lohn für den Einzelnen in der Regel bescheiden<br />

aus, zwischen 500 und 1000 Vatu läßt sich pro Veranstaltung verdienen, ledig-<br />

160 Einige hundert kleiner Kava Bars in Port Vila schenken den bitter schmeckenden, leicht<br />

berauschenden Trank aus. Nachdem Kava viele Jahre lang von Missionaren und Kolonialregierung<br />

verboten war, setzte mit der Unabhängigkeit eine Renaissance der Kava ein, die heute,<br />

ähnlich wie in anderen Ländern Ozeaniens, zu einer Art Nationalgetränk geworden ist (vgl.<br />

LIPP 1998).<br />

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