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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Die zweite Geschichte des gol: Revitalisierung durch Tourismus<br />

Bong jedoch, den „Anführer“ und „Aufrührer“, findet man nicht. Auch die<br />

beschwichtigenden Worte von Chiefs Meleun Temat, ins Bislama übersetzt von<br />

Chief Molsuta, können die Situation nicht entschärfen, denn immerhin ist der<br />

alte Meleun der Vater des gesuchten Bong. Vielmehr nehmen die Truppen nun<br />

ihn, Molsuta und zwei andere ältere Männer gefangen und bringen sie nach Baie<br />

Barrier, wo man sie im Krankenzimmer der Mission einsperrt. Ob Bong wirklich<br />

„fischen“ gegangen ist, wie Margaret Jolly meint (Jolly 1994b:45) oder<br />

beim Auftauchen der Europäer flieht läßt sich nachträglich nicht mehr Sicherheit<br />

sagen. Ich vermute jedoch, daß er beizeiten das Weite gesucht hat, denn immerhin<br />

ist ein warsangul Ritual eines der wichtigsten rituellen Feste der Sa, von<br />

dem man im Allgemeinen nicht ohne triftigen Grund fernbleibt. Chief Warisul<br />

meint daher auch unumwunden, Bong sei nach Lonbwe geflohen. Das kann jedoch<br />

ebenfalls nicht stimmen, da auch nach Lonbwe zwei Soldaten entsendet<br />

werden, um dort nach dem Rechten zu sehen. Ihnen wird die Order mit auf den<br />

Weg gegeben, zweimal zu feuern, sollten sie sich in Gefahr befinden. In diesem<br />

Fall würde man beginnen, die Geiseln aus Bunlap eine nach der anderen zu exekutieren.<br />

Beinahe kommt es zur Katastrophe als ein Gewehr beim Durchsuchen<br />

einer Hütte versehentlich losgeht. Gerade noch rechtzeitig schicken die Soldaten<br />

einen Botschafter zurück nach Baie Barrier, der das Versehen meldet. Wäre es<br />

tatsächlich zur Exekution der Geiseln gekommen – die Geschichte der kastom<br />

Bewegung, ja ganz Südpentecosts, wäre völlig anders verlaufen. Mit größter<br />

Wahrscheinlichkeit hätte es dann nämlich ein Massaker zwischen Regierungstruppen<br />

und den ebenfalls bewaffneten kastom Leuten gegeben. 200 Ob Bong sich<br />

wenig später tatsächlich ergeben hat oder ob nicht vielmehr er selbst es war, der<br />

seinen Austausch gegen die Freilassung seines Vaters und der anderen alten<br />

Männer vorschlug, wird man nicht mehr klären können. Übereinstimmend berichten<br />

alle Quellen lediglich davon, daß es zwei Tage später tatsächlich zu diesem<br />

Austausch kommt und Bong, zusammen mit seinen beiden jüngeren Brüdern<br />

Telkon Watas und Meleun Bena (und möglicherweise noch zwei anderen<br />

Männern) auf die Nachbarinsel Espiritu Santo gebracht wird. Mündliche Überlieferungen<br />

berichten, daß es in Santo eine Reihe von Verhören gibt, bis der<br />

französische Verwaltungschef, der sich schließlich mit der Angelegenheit befaßt,<br />

schließlich amüsiert anbietet, Bong und seine Leute ziehen zu lassen, wenn<br />

diese im Gegenzug für ihn und einige ausgewählte Gäste ein gol veranstalteten.<br />

201 So wird es beschlossen und beide Parteien halten sich an die Vereinbarung.<br />

Im folgenden Jahr wird ein gol auf der Plantage des französischen Pflanzers<br />

Thevenin in Lonoror abgehalten, jeder Turmspringer erhält von der Kolonialregierung<br />

ein Päckchen Stick-Tobacco als Dankeschön. Margaret Jolly meint,<br />

daß diese Vorkommnisse zur Komposition eines Liedes geführt habe, das seither<br />

200 Bis heute wird dieser Punkt leidenschaftlich diskutiert und die meisten meiner kastom Gesprächspartner<br />

lassen keinen Zweifel daran, daß man Gewalt angewendet hätte, wenn den<br />

Geiseln etwas zugestoßen wäre.<br />

201 Unklar bleibt, was man Bong eigentlich zur Last gelegt hat. Welches ist das Vergehen, das<br />

mit einem gol als Strafmaßnahme gesühnt werden soll?<br />

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