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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Funktionen des gol. Versuch einer Analyse<br />

len oder Politik betreiben (Tattevin 1929:983f). Kurz, es ist eine Zeit der Muße<br />

und Kreativität. Es könnte auch die Zeit sein, so meinten mehrere Informanten<br />

aus Ponof im katholischen Nordosten des Sa Gebietes, in der unausgesprochene,<br />

schon länger schwelende Konflikte im Dorf zur Sprache kommen. Damit solche<br />

Konflikte gelöst werden könnten, so vermutet z.B. der Vorsitzende der PonWa-<br />

Ha Association, Lazare Asal, existiere das gol. Genaugenommen besagt Asals<br />

Interpretation folgendes: Wenn ein Mann das Gefühlt hat, daß man hinter seinem<br />

Rücken über ihn redet, dann kann er im Männerhaus vorschlagen, ein gol<br />

zu veranstalten. Er wird dann zum „Organisator“ des Turmbaues und springt<br />

auch selbst vom Kopf des Turmes. 288 Wenn er den Sprung überlebt, so Lazare<br />

weiter, dann hat das Turmspringen seine reinigende Wirkung erfolgreich entfaltet<br />

und das ungute Getuschel muß aufhören. Eine andere Interpretation lautet,<br />

daß ein Mann nicht selbst den Turmbau anregen muß, sondern lediglich, wenn<br />

er auf der Plattform steht und bereit zum Sprung ist, ein entsprechendes Lied<br />

anstimmen soll. Wenn der Springer selbst nicht den Mut dazu hat, dann kann<br />

auch ein Verwandter oder Freund, der unter dem Turm mittanzt, das Lied für ihn<br />

beginnen. Wenn es erklingt dann wissen alle Anwesenden, daß der Konflikt nun<br />

bereinigt werden soll. Tatsächlich habe ich in Kap. 13.7 bereits einige entsprechende<br />

Lieder vorgestellt, die aus Ponof stammen und diese These durchaus belegen<br />

könnten, eines davon sei hier nochmals wiederholt:<br />

Siniang<br />

Ein Lied, das Frieden stiften und Konflikte bereinigen soll.<br />

Siniang, Siniang, Siniang, Siniang ae Ich bin in meinem Dorf<br />

e e e Agnga humale lea e<br />

und denke mir nichts Böses<br />

Die Leute sind freundlich zu mir und tun, als ob nichts wäre<br />

Ne poseke seke gnak ae<br />

Aber sie foppen mich nur, wenn sie freundlich tun<br />

ba ware pagni pagno mane nie<br />

Denn hinter vorgehaltener Hand sprechen sie über mich<br />

gasu malse nie<br />

Aber wer sagt es mir, damit ich Bescheid weiß?<br />

Beren lon tebar po beto ne waran<br />

Ich will nur eines: Wenn ich sterbe<br />

mane nie<br />

(beim Sprung – symbolisch - ums Leben komme?)<br />

will ich nicht mehr hören, daß man über mich redet<br />

Berete be pol nema-an ne nie<br />

(muß das Gerede aufhören)<br />

Tepe mane nie<br />

ne mete kele e<br />

ne margno beto reg na ne<br />

ne mete lal o<br />

be e aga amale le ae<br />

(Feldnotiz <strong>Thorolf</strong> <strong>Lipp</strong>. Ponof, September 2004)<br />

Meine Informanten meinten weiter, daß die Tänzer am Fußende des Turmes den<br />

schwelenden Konflikt mit ihren Füßen in den nassen Lehm treten und diesen<br />

dadurch „begraben“. Wir haben ja bereits gehört, daß das Turmspringen kurz<br />

nach dem juban Tanz stattfindet, also unmittelbar zu der Zeit, welche die Sa explizit<br />

für den Jahresbeginn halten. Insofern macht diese Interpretation auch innerhalb<br />

der emischen Perspektive durchaus Sinn. Reinigungsrituale zu Jahres-<br />

288 Vgl. die These von Victor Turner, daß ein „Bruch“ als „Auslöser“ des sozialen Dramas zu<br />

betrachten sei (1989:110).<br />

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