20.11.2013 Aufrufe

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Die wichtigsten Mythen der Sa<br />

erzählt werden 64 . Aus sehr intimen Gesprächen mit einigen meiner wichtigsten<br />

Partner unter den kastom Sa, vor allem mit Bebe Malegel, Chief Warisul, Moses<br />

Watas und Sali Warara weiß ich jedoch, daß sie erzählt werden: im Geheimen,<br />

für ausgesuchte Zuhörer, die wirklich ein ernsthaftes Interesse daran haben und<br />

sich für die Weitergabe dieses Wissens erkenntlich zeigen. Viele Mythen werden<br />

als absolutes Spezialwissen behandelt. Oft ist unklar, wer überhaupt das<br />

Recht hat, diese oder jene Geschichte zu erzählen. Häufig wurde mir unter vorgehaltener<br />

Hand gesagt, daß es sich um sehr „starke“ (i ma pris – es ist stark)<br />

Geschichten handele, die man nicht einfach so erzählen könne. Wenn sich einer<br />

meiner Informanten nach einigem Zögern dann doch ausnahmsweise bereit erklärte,<br />

mir zumindest einige Anhaltspunkte zu geben, oder sogar den ein oder<br />

anderen Mythos ganz zu erzählen, so geschah dies praktisch immer nur dann,<br />

wenn ich mit ihm gänzlich alleine war und er mit meiner Verschwiegenheit<br />

rechnen konnte. Daß das, was man mir erzählte, irgendwann einmal in das Buch<br />

kommen würde an dem ich arbeitete, das war hingegen völlig in Ordnung. Es<br />

wollte nur niemand in Verdacht geraten, Wissen weiterzugeben, das ihm möglicherweise<br />

gar nicht gehörte. Welches Wissen wem gehört ist aber, wie gesagt,<br />

häufig unklar und bietet stetigen Anlaß für Auseinandersetzungen. Sobald sich<br />

also während eines derartigen Gespräches zwischen einem Informanten und mir<br />

irgend jemand näherte, brach dieser regelmäßig das Gespräch ab bzw. änderte<br />

das Thema und begann über das sprichwörtliche Wetter zu schwadronieren. Unbedingt<br />

wichtig ist überdies die Feststellung, daß es, wie überall, auch in Bunlap<br />

manche Männer gibt, die ein größeres Interesse für derlei Wissen aufbringen als<br />

andere. Der Großteil der Jungen und jüngeren Männer bis Mitte 30 setzt sich<br />

heute kaum oder gar nicht mit dem klassischen Mythenkanon auseinander. Ihr<br />

Wissen beschränkt sich häufig auf die vage Kenntnis einiger Namen und Orte,<br />

reicht aber nicht viel weiter. Ob das „immer“ schon so war kann ich ebensowenig<br />

sagen wie über die die Rolle der Frauen bei der Weitergabe dieses Wissens.<br />

Es war schon schwierig, mit den Männern über derartige Dinge ins Gespräch zu<br />

kommen, mit den Frauen gelang es mir, aus verschiedenen Gründen, praktisch<br />

gar nicht. Während ich mit den Männern Bislama sprach, war eine Verständigung<br />

mit fast allen Frauen nur auf Sa möglich. Es liegt auf der Hand, daß sich<br />

diese Sprachbarriere noch weit stärker bemerkbar macht, wenn man die Ebene<br />

der Alltagskommunikation verläßt und sich mit komplexen Geschichten befaßt,<br />

die noch dazu häufig in stark „verdichteter“ Form vorliegen, so daß noch nicht<br />

einmal die Sa selbst sie ohne weiteres verstehen. Hinzu kommt, daß einige, mir<br />

näher stehende Frauen ausdrücklich instruiert wurden, nicht mit mir über derartige<br />

Dinge zu sprechen. Darunter war etwa Sè, die Frau meines zeitweiligen<br />

Gastgebers Chief Warisus, dem Sohn von Chief Telkon. Während meiner zwei-<br />

64 An dieser Stelle muß ich freimütig einräumen, daß die in meinem Film „Vom Ursprung“<br />

gezeigte Szene, in der im Männerhaus ein Mythos erzählt wird, auf meine Bitte hin zustande<br />

kam. Eine derartige Szene mag sich in der Tat im Männerhaus so oder ähnlich abspielen, erlebt<br />

habe ich etwas Derartiges in zehn Monaten Feldforschung allerdings nicht.<br />

- 88 -

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!