VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

Gol - ein kastom der Sa: Das Mitteilbare
seine Teilnahme am gol wochenlang vorbereitet hat, er also am Turmbau teilnahm,
seine Plattform in der ihm angenehmen Höhe errichtete, seine Liane ausgesucht
hat und am Tag des Sprunges absprungbereit auf seinem Sprungbrett
steht, selbst dann noch ist ein Rücktritt vom Sprung möglich, ohne daß der
Springer mit gravierenden Konsequenzen rechnen müßte. Ohne viel Aufhebens
wird man ihn von den Lianen losschneiden und ein anderer, vielleicht ein
Freund oder Bruder, oder auch ein Fremder aus dem Nachbardorf, wird an seine
Stelle treten. Dies geschieht spontan und ohne vorherigen Plan. Derjenige, der
sich zuerst meldet und bezüglich Größe und Gewicht in etwa seinem Vorgänger
entspricht, erhält den Zuschlag des
Baumeisters, der gerade am nächsten ist.
So kann es im Prinzip vorkommen, daß
einzelne Jungen oder Männer zwei oder
dreimal an einem einzigen Tag vom
gleichen Turm springen – sie ersetzen
dann solche, die im letzten Moment der
Mut verlassen hat. Da man nun bereits
einige Zeit verloren hat, wird vom Ersatzmann
erwartet, daß er den Sprung
rasch und ohne viel Federlesens absolviert.
Es ist oft behauptet worden, ein
Springer könne ohne jeglichen Ansehensverlust
vom Sprung zurücktreten
(vgl.f.a. Muller 1971; Jolly 1994b; Johnson
& Johnson 1955). Diese Auffassung
muß relativiert werden. Zwar ist der Gesichtsverlust
nicht gravierend, aber sein
Abb. 42: Eine vorbildliche Flugphase
(Bunlap, April 2002)
Verhalten wird doch, etwa durch Lieder
(s.u.) kommentiert. Im übrigen soll der
MB (tsik) den Springer kurz vor seinem
Sprung mit nangalatt – Blättern (Dendrocnide
latifolia) schlagen, um ihn so besonders zu motivieren. 189 Wenn der
Springer dann im letzten Moment doch noch zurückzieht, schuldet er seinem tsik
eine kleine Geldsumme von fünfzig oder hundert Vatu. Muller und Jolly erwähnen
beides nicht. Im Folgenden beschreibt der etwa 22-jährige Olul Sali seine
Empfindungen vor und während eines Sprunges aus etwa zwanzig Metern Höhe:
Auszug aus einem Gespräch mit Olul Sali zu seinem Sprung vom gol in Bunlap 2002
Sie befestigen die Lianen an meinen Füßen, meine Onkel und Freunde, die das alles vorbereitet
haben. Wenn ich da oben stehe, und sie mir die Liane an den Füßen befestigen, dann denke
ich: ‚Ja, jetzt springe ich’. Ich denke mir: ‚wenn ich jetzt nicht springe, dann muss ich dafür
Strafe bezahlen.’ Aber dann merke ich, wie sich in meinem Bauch etwas zusammenzieht. Und
189 Ich halte es für überaus bedeutsam, daß ausgerechnet dem MB tsik diese Aufgabe zukommt
und werde diesen Umstand später noch näher kommentieren.
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