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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Titel, Magie, Geld, Rhetorik, Mut: Bemerkungen zum Ethos der Sa<br />

7. Teul Der Erwerb dieses Titels wird von den etwa zwanzigjährigen Männern<br />

mit einiger Ungeduld erwartet. Er ermöglicht ihnen, endlich am zweiten<br />

Feuer des Männerhauses, dem ap lon tobol, zu kochen und zu essen und<br />

führt sie aus der Altersgruppe der Jungen hinüber in die Gruppe der jungen<br />

Männer. Der Tag beginnt mit dem Schlagen der tamtam bzw. einem<br />

bilbilan Tanz, zu dem sich die große Mehrzahl der Bewohner auf dem<br />

sara einfindet. Der titelgebende Mentor hat unterdessen im mittleren Teil<br />

des Männerhauses, nahe des ap lon tobol, eine Zeremonialkonstruktion<br />

errichtet (bun teul), die die Kraft des teul Titels verdeutlichen soll. Es<br />

handelt sich dabei um zwei Stöcke des Drachenbaumes li airiri, die mit li<br />

adi Rindenstreifen zu einem Kreuz gebunden und in den Boden gesteckt<br />

werden. Verziert wird diese Struktur mit sas na teul, rot weiß gestreiften<br />

Blättern die bei uns als Kroton 135 bekannt sind, sowie Ingwerblüten. Nach<br />

den ersten Tänzen entfernt der titelgebende Mentor eines der Holzstücke<br />

und geht damit nach draußen auf den Tanzplatz. Dort gibt er es dem Initianden,<br />

der nun ein Schwein damit erschlägt, das an einem Pflock auf dem<br />

Tanzplatz angebunden ist. Dabei ruft er laut seinen neuen Namen teul aus.<br />

Neben dem Schwein befindet sich eine der olmis ähnelnde Zeremonialkonstruktion.<br />

Im Falle eines teul Titelerwerbs befinden sich jedoch zusätzlich<br />

grüne Kokosnüsse (ul) an dieser Konstruktion, die der Initiand<br />

nach dem Keulen des Schweins mit seiner Machete öffnet. Einige Tropfen<br />

der Kokosmilch verschüttet er auf die zum Verschenken an seinen tsik<br />

vorbereiteten batsi Matten. Anschließend klatscht er viermal in die Hände,<br />

trinkt von der Kokosmilch und reicht diese dann an die Umstehenden<br />

weiter. Nun steckt der Mentor dem Initianden das Kroton Blatt hinten in<br />

dessen Rindengürtel, wo er es von nun an zu festlichen Anlässen tragen<br />

darf. Das Fleisch des geschlachteten Schweins wird jetzt unter die Familie<br />

eines mütterlichen Verwandten, in der Regel dem MB (tsik) aufgeteilt und<br />

später gegessen. Auch der Initiand darf ein wenig davon essen, aber nur er<br />

und nicht seine ganze Familie. Zwei oder drei lebende Schweine gehen an<br />

seinen Mentor, der in diesem Fall nicht selten ein sehr naher Verwandter<br />

ist, also Vater, Bruder oder sonstige Verwandten aus der Linie des Vaters<br />

(temak bzw. tsat, selak bzw. waiwinik, watok). Nachdem das Schwein<br />

getötet ist, wird dem Initianden das sas na teul Blatt wieder entfernt und<br />

er muss nun im Männerhaus ein spezielles lok herrichten. Dieses wird in<br />

einem Feuer gegart, das mit der bun teul Holzkonstruktion vom Vormittag<br />

entzündet wurde. Alle jungen Männer aus seiner Altersgruppe, die den<br />

teul Titel ebenfalls bereits besitzen, essen dann von diesem lok. Anschließend<br />

muß der Initiand zwei bis fünf Tage im Männerhaus schlafen, um<br />

langsam sein überschüssiges konan abzubauen.<br />

Erworbenes Privileg: Recht, von nun am zweiten Feuer, ap lon<br />

tobol, zu kochen und zu essen. Erlaubnis sas na teul Blätter in seinem<br />

Gürtel zu tragen & neuer Name<br />

135 Ein Kroton aus der Gattung der Codiaeum. Die genaue botanische Bezeichnung der Art<br />

konnte nicht zweifelsfrei festgestellt werden, es könnte sich jedoch um Codiaeum variegatum<br />

handeln.<br />

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