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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Gol - ein kastom der Sa: Das Mitteilbare<br />

Ich möchte hier meine später folgenden Analyseversuche noch nicht vorwegnehmen.<br />

Vielmehr bitte ich den Leser darum, folgendes im Gedächtnis zu behalten:<br />

mir scheint, daß es, neben der Schilderung von Allerweltsbeobachtungen,<br />

vor allem die Themenkomplexe „Mann-Frau Dualismus“ sowie „Konfliktbewältigung“<br />

sind, die in den hier genannten Liedern vermehrt zu beobachten sind.<br />

Beides läßt sich, wie später zu zeigen sein wird, in meine Interpretation des gol<br />

sinnvoll einfügen.<br />

14. Die zweite Geschichte des gol: Revitalisierung durch Tourismus<br />

In diesem Kapitel wollen wir auf die historische Entwicklung des gol in ganz<br />

Südpentecost blicken und uns fragen, wo heute noch bzw. wieder Turmspringen<br />

veranstaltet werden und wie es dazu kam. Wir haben in Kap. 6.2 gesehen, daß<br />

das gol in den protestantisch missionierten Sa Dörfern abgeschafft wurde, so daß<br />

das Wissen darüber hier nach und nach verlorenging. Ich erinnere daran, daß es<br />

über mehrere Jahrzehnte teils handfeste Auseinandersetzungen zwischen der<br />

kastom Gemeinschaft und dem Großteil der missionierten Dörfern gegeben hat,<br />

weswegen es in den Jahren von etwa 1935 bis 1980 praktisch zu keinem Wissenstransfer<br />

kommen konnte, der das Turmspringen hier hätte bewahren oder<br />

gar wiederbeleben können. Erst die Unabhängigkeit Vanuatus im Jahre 1980<br />

führte, dann jedoch beinahe schlagartig, zu einer Aufwertung des indigenen<br />

Selbstwertgefühles. Die erste unabhängige Regierung unter Father Lini war einerseits<br />

um die Bewahrung der christlichen Werte bemüht, suchte andererseits<br />

aber nach nationaler Identität und griff dabei gerne auf den Fundus der Traditionen<br />

zurück (vgl. f.a. van Trease 1995). Die kastom Anhänger wurden so von<br />

„rückständigen Traditionalisten“ zu den Avantgardisten einer neuen Epoche, zu<br />

wichtigen Vertretern einer sich bildendenden lokalen, nationalen und überregionalen<br />

melanesischen Identität (vgl. Lindstrom & White 1994). Die kastom<br />

Gruppen, allen voran die Leute von Bunlap, sahen sich auf einmal in die merkwürdige<br />

Lage versetzt, von einer Randerscheinung zu den Bewahrern nationaler<br />

Zeichen und Symbole geworden zu sein, was auch den zu dieser Zeit ohnehin<br />

bereits im Aufwind befindlichen Stellenwert des gol beförderte. Sie nutzten ihr<br />

neues Selbstverständnis umgehend, um im neubegründeten regionalen Council<br />

der Chiefs von Pentecost, Mal Bangbang, eine Regelung durchzusetzen, die für<br />

ganz Südpentecost Gültigkeit gewinnen sollte. Jedes Dorf, das Turmspringen<br />

veranstalten will, so heißt es darin, solle dafür sorgen, daß alle Teilnehmer bi pis<br />

und rahis trügen und müsse die entsprechenden Lieder und Tänze aufführen.<br />

Sollte das nicht der Fall sein, würden die kastom Männer die Bestrebungen der<br />

anderen Dörfer, nun auch Turmspringen zu veranstalten, nicht unterstützen. 197<br />

Tatsächlich dauert es nicht lange, bis die Führer in den missionierten Dörfern<br />

197 Notiz anhand einer persönlichen Kommunikation mit Chief Telkon Watas im Nopvember<br />

2004.<br />

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