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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Gol - ein kastom der Sa: Das Mitteilbare<br />

weist sich jedoch, daß dies nicht der Fall ist, da in den Liedtexten nämlich doch<br />

zwei Motive mit einer gewissen Häufung auftreten: die Beziehung zwischen<br />

Männern und Frauen, Liebe, Heirat, Ehebruch, sowie die Beschreibung von<br />

Konflikten. Ich meine, daß dies kein Zufall ist, werde diese These aber erst im<br />

Rahmen der späteren Analyse weiter entwickeln. In die erste Kategorie fällt<br />

auch der Text des Liedes, Mele ai, das ich hier zuallererst anführen muß, weil es<br />

auch zu Beginn eines jeden gol gesungen werden soll, wie mir praktisch alle Informanten<br />

bestätigten, ohne es allerdings näher begründen zu können. 191<br />

Das Lied erinnert, so wird gesagt, an die Anfänge des Turmspringens. Angeblich<br />

stammt es aus Rebrion, ist aber tatsächlich überall in Pentecost bekannt. Es<br />

soll sich dabei um eine Art geheimer Beschwörung handeln, um einen Liebeszauber,<br />

der an ein Mädchen gerichtet ist, freilich ohne daß das Mädchen wüßte,<br />

daß es der Adressat des Liedes ist. Die Transkription und Übersetzung des Textes<br />

nahm mehrere Tage in Anspruch, da dieser in einem verdichteten, altertümlichen<br />

Duktus verfaßt ist und voller schwer verständlicher Anspielungen auf bestimmte<br />

Orte und geheimes Wissen steckt. Da es hier nicht nur auf die sinngemäße<br />

Bedeutung ankommt, wird in diesem Fall die wörtliche Übersetzung direkt<br />

unter dem Sa-Original wiedergegeben. So soll auch späteren Forschern ermöglicht<br />

werden, diesen bedeutenden Text kritisch zu überprüfen. Andere Liedtexte<br />

hingegen sind weniger lyrisch verdichtet, bedienen sich aber, um besser<br />

dazu tanzen und singen zu können, bestimmter Verkürzungen und Lautmalereien.<br />

Diese habe ich freier übersetzt, um die sinngemäße Bedeutung besser erfassen<br />

zu können. Schließlich gab es einige Lieder, von denen ich den Sa Originaltext<br />

nicht aufnehmen konnte, weil meine Informanten ihn selbst nicht genau<br />

kannten. Sie würden sich an den genauen Wortlaut erst dann erinnern, so meinten<br />

sie, wenn sie dazu tanzen und singen würden. In solchen Fällen habe ich<br />

mich mit der Aufzeichnung der sinngemäßen Bedeutung begnügt. 192<br />

Mele ai<br />

Mele ai iro mele eyo<br />

(Kava, sie läuft ihm davon, eyo)<br />

Mele ai iro mele eyo<br />

(Kava, sie läuft ihm davon, eyo)<br />

Isine ngaweni matwa isin esu ango sere nasera jamwop<br />

(Er beschimpft seine Frau, diese Frau hiess Jamwop)<br />

191 Allerdings ergab die Auswertung des Videomaterials, daß dies keineswegs der Fall ist.<br />

Von fünf untersuchten Turmspringen wurden nur zwei mit dem Lied „Mele ai“ eröffnet, was<br />

allerdings auch daran liegen könnte, daß der eigentliche Beginn eines gol nur schwer festgestellt<br />

werden kann (vgl. Kap.13.6).<br />

192 Mein Dank gilt hier insbesondere dem australischen Linguisten Murray Garde, der mir bei<br />

der Übersetzung und Schreibweise sehr geholfen hat.<br />

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