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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Bunlap zwischen Tradition, Adaption und Vision<br />

stellungen von Kosmologie und Zeit, von der Ordnung des Raumes und der<br />

Ordnung menschlicher Beziehungen werden genauso behandelt wie ihr Konzept<br />

von symbolischer, magischer, wirtschaftlicher und charismatischer Potenz. Im<br />

Folgenden versuche ich also, unter Heranziehung sämtlicher mir verfügbarer<br />

Quellen sowie meiner eigenen Daten, eine Zustandsbeschreibung der Kultur der<br />

kastom Sa, so, wie ich sie mir zwischen den Jahren 1997 und 2004 erschlossen<br />

habe. Ich muß hier vorausschicken, daß Bunlap, wenn man es ganz genau<br />

nimmt, nicht nur ein Dorf, sondern einen ganzen Landstrich bezeichnet, der sich<br />

über viele Quadratkilometer an der Südostküste von Pentecost erstreckt. Das<br />

größte Dorf innerhalb dieses Landstriches heißt eigentlich Bena, was soviel bedeutet<br />

wie „große Siedlung“. Die anderen Dörfer in den Grenzen Bunlaps sind<br />

Tanmili und Pohurur. Dazu kommen noch eine Reihe von Siedlungen, die nicht<br />

ständig bewohnt sind, sondern nur einige Monate im Jahr, etwa zu Ernte- oder<br />

Pflanzzeiten. Im Einzelnen sind dies Lonau, Randowa, Lonisis, Lonbwegan,<br />

Panlimsi (bzw. Ranmalinli) und Ratap. Die Menschen, die ständig in den kleineren<br />

Siedlungen leben, fühlen sich zweifelsohne als Einwohner von Bunlap, nicht<br />

aber als Bewohner von Bena. Dazu muß jedoch gesagt werden, daß die Unterscheidung<br />

zwischen Bunlap und Bena auch von den Einheimischen nicht konsequent<br />

gehandhabt wird. In der Regel sprechen nämlich auch sie von Bunlap,<br />

wenn sie eigentlich Bena meinen. Um den Sachverhalt für den Leser jedoch zu<br />

vereinfachen, werde ich immer dann, wenn Bena gemeint ist, von Bunlap-Bena<br />

sprechen. So gerät nicht in Vergessenheit, daß Bunlap zugleich die gesamte Gegend<br />

um Bena herum bezeichnet.<br />

8. Körper und Kleidung: bi pis und rahis als Fanal für kastom<br />

Tradition ist nicht das Anbeten der Asche,<br />

sondern das Weitergeben des Feuers.<br />

Gustav Mahler (1860 – 1911)<br />

Vielleicht erstaunt es, daß ich diesen Teil der Arbeit mit dem vielleicht zunächst<br />

nebensächlich scheinenden Thema „Körper und Kleidung“ beginne. Doch geschieht<br />

dies in voller Absicht, denn das Tragen von bi pis und rahis (Penisbinde<br />

und Grasrock) ist heute das am deutlichsten sichtbare Fanal der Andersartigkeit<br />

von kastom und skul. Bi pis und rahis, die nach wie vor von einem Großteil der<br />

kastom Bevölkerung innerhalb der Grenzen des kastom Gebietes alltäglich getragen<br />

werden, symbolisieren vor allem anderen die ungebrochene Kontinuität<br />

mit der Tradition.<br />

Der Leser darf an dieser Stelle keine umfassende Behandlung von Konzepten<br />

des Körpers bei den Sa erwarten, auch wird nur in Auszügen auf die umfangreiche<br />

Literatur zur Anthropologie des Körpers verwiesen werden können. Interessant<br />

ist hier vielmehr die herausragende Bedeutung von bi pis und rahis für die<br />

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