VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

Die zweite Geschichte des gol: Revitalisierung durch Tourismus
und für eine weitere Veranstaltung fehlte allen Beteiligten die Zeit. Als guter
Geschäftsmann fand Willi jedoch, wie er mir verschmitzt mitteilte, folgenden
Ausweg: Er bot den Engländern an, kleine getarnte Unterstände für sie bauen zu
lassen, aus denen sie, von den Franzosen unbemerkt, das gol ebenfalls drehen
konnten. So wurde es gemacht, die Engländer bezogen frühmorgens in ihren
Erdlöchern Stellung und konnten das gol so doch noch filmen. Allerdings flog
der kleine Schwindel später auf und sorgt für einige Aufregung unter den Franzosen,
während die Engländer unverzüglich abgereist waren.
Als Fazit der in den letzten Kapiteln besprochenen Geschichte der Kommerzialisierung
des gol auf der Westküste von Pentecost bleibt festzuhalten, daß wir es
mit Wiederaufnahme eines Brauches nach fünf Jahrzehnten Jahren zu tun haben,
der heute kaum noch etwas mit der ursprünglichen Symbolik zu tun hat. Es ist
nicht zu übersehen, daß es bei der Zurschaustellung des gol in erster Linie darum
geht, die Erwartungen von zahlenden Gästen zu erfüllen: Diese wollen nach
einem nicht allzu anstrengenden Fußmarsch in einer nicht allzu langen, aber
möglichst „wilden“, „dramatischen“ und „authentischen“ Zeremonie Männer
mit Penisbinden und barbusige Frauen im Grasrock sehen, die von einem „mystischen“
Turm springen bzw. unter diesem „archaisch“ tanzen. Die Anpassung
an neue Bedeutungshorizonte ist unübersehbar, zahlende Touristen sind zum
„Eigentlichen“ dieser Veranstaltung geworden, meines Wissens hat es in der
„zweiten Geschichte“ des Brauches in den skul Dörfern nicht ein einziges gol
gegeben, das ohne Touristen stattgefunden hätte, vielmehr werden die Türme
verbrannt, wenn die zahlenden Besucher ausblieben. Die Veranstaltung hat hier
als bedeutsame Einkommensquelle und Gegenstand politischen Kalküls eine
ganz neue Funktion erhalten, während ältere Bedeutungsschichten in den Hintergrund
getreten sind. Dennoch wollen wir bei der nun folgenden ethnologischen
Analyse des Turmspringens zunächst mythische Wurzeln, symbolische
Bedeutungen und rituelle Dimensionen des Phänomens untersuchen, bevor wir
dann bei der Betrachtung von möglichen funktionalen Aspekte auch wieder auf
die in jüngerer zeit so wichtig gewordenen Zusammenhänge zwischen gol, Geld,
Macht und Herrschaft zu sprechen kommen.
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