20.11.2013 Aufrufe

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Titel, Magie, Geld, Rhetorik, Mut: Bemerkungen zum Ethos der Sa<br />

daß die führenden Politiker ausschließlich diejenigen Männer sind, die besonders<br />

hohe Ränge im warsangul System innehaben. Eine große Anzahl von Titeln<br />

ist daher keineswegs automatisch gleichbedeutend mit faktischer politischer<br />

Macht, schon deshalb nicht, da die meisten Männer mit sehr vielen Titeln auch<br />

entsprechend alt sind und daher kaum noch eine aktive und kraftvolle politische<br />

Rolle spielen können.<br />

12.5 Kraft und Mut<br />

Die Ausgangsfrage dieses Kapitels war, was einen kastom Mann zum „Meister<br />

seines Lebens“ macht. Bisher haben wir Eigenschaften wie Fleiß, Durchhaltevermögen,<br />

taktisches Geschick, ökonomischen Verstand und Redebegabung<br />

kennengelernt. Was hier jedoch noch fehlt, ist die Betonung von Mut und physischer<br />

Stärke. Beides wird in der Gesellschaft der kastom Sa sehr hoch geschätzt<br />

und dauernd werden untereinander Vergleiche angestellt, wer körperlich stark (i<br />

ma pris – es ist stark, hart) und wer schwach ist (i ma mlim –es ist schwach,<br />

weich). Zumindest was ihre körperliche Konstitution anbelangt halten die Sa<br />

Europäer für verweichlicht, was sie, im Vergleich zu den durch dauernde physische<br />

Arbeit durchtrainierten Sa, in der Regel auch sind. Körperliche Kraft ist in<br />

einer Gesellschaft, in der es keinerlei arbeitserleichternden Maschinen, keine<br />

Trag-, oder Zugtiere, keine Strassen, ja noch nicht einmal das Rad gibt, zum<br />

bloßen Überleben eine unabdingbare Notwendigkeit. Männer wie Frauen gelten<br />

daher auch dann als schön, wenn sie körperliche Kraft besitzen. Bei Männern<br />

zeigt sie sich in Form von Muskeln, bei Frauen eher in einer gesunden, rundlichen,<br />

jedoch nicht fetten Erscheinung. Auch eine überdurchschnittliche Körpergröße<br />

ist, bei den im Durchschnitt nur ca. 165cm großen Sa, ein wichtiges<br />

Schönheitsmerkmal. Wer hingegen zu dick, und dadurch unbeweglich ist, wird<br />

mit den Worten um betlap – du bist dick (viel, reichlich, übermäßig), gehänselt.<br />

163<br />

Auch Mut ist eine geschätzte Eigenschaft, die zunächst vor allem im Krieg eine<br />

bedeutende Rolle spielte. Die früher häufig vorkommenden, institutionalisierten<br />

Kriege, die Tattevin etwa noch in den 20er Jahren beschreibt, mußten aufgrund<br />

von Interventionen des Staates praktisch ganz aufgegeben werden. Nach der Indigenisierung<br />

der Staatsgewalt im Jahre 1980 wurden sämtliche im Umlauf befindlichen<br />

privaten Feuerwaffen konfisziert, so daß es heute praktisch keine bewaffneten<br />

Fehden mehr in Vanuatu gibt. Was allerdings durchaus häufig vorkommt,<br />

sind Streitereien auf dörflicher oder lokaler Ebene, die entweder mit den<br />

163 Bei meinem Aufenthalt in Bunlap 2002 wog ich deutlich unter 80 Kilo, war also ziemlich<br />

schlank und körperlich fit. Bei meiner Rückkehr im Jahre 2004 hatte ich, aufgrund einer vorausgehenden,<br />

lang andauernden Büroarbeitsphase, fast 20 Kilo zugenommen, was von meinen<br />

Sa Freunden immer wieder, fast ungläubig zur Sprache gebracht wurde. Wir „einigten“<br />

uns schließlich darauf, daß ich nicht „dick“ sei, sondern lediglich eine „starke Haut“ bekommen<br />

hätte – die sich jedoch im Laufe der Feldforschung rasch zurückzubilden begann.<br />

- 206 -

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!