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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Gol - ein kastom der Sa: Das Mitteilbare<br />

Im Prinzip gilt das hier Gesagte sowohl für Turmspringen, die ohne zahlende<br />

Touristen aufgeführt werden, als auch für solche, die man für zahlende Gäste<br />

ausrichtet. Ist jedoch letzteres der Fall, kommt nicht selten eine weitere Person<br />

ins Spiel, der „Veranstalter“. Er stellt Verbindungen zwischen zahlenden Besuchern<br />

und dem Organisator und Baumeister im Dorf her und sorgt für den Geldfluß<br />

zwischen Besuchern und Organisator. Mitunter sind die Organisatoren<br />

gleichzeitig auch Veranstalter. Wie sich diese Konstellationen gestalten können,<br />

daß z.B. ein Veranstalter wiederum meist mit einer Reiseagentur zusammenarbeitet,<br />

die als Bindeglied zwischen ihm und den Touristen fungiert etc., werden<br />

wir in Kap. 14 noch genauer betrachten. Klar ist jedoch: handelt es sich um ein<br />

bezahltes Turmspringen, ändert sich die Arbeit des Turmbaus als solche für<br />

Baumeister und Bauleute nicht. Der Organisator hingegen verfügt nun über Geld<br />

und kann für die nötigen Ressourcen, in erster Linie die Arbeitskraft seiner<br />

Männer, bezahlen. Seine Autorität bezieht er so nicht mehr ausschließlich aus<br />

einer informellen, traditionellen Legitimität, sondern sie wird um die Komponente<br />

des finanziellen Anreizes ergänzt. Geld schafft allerdings auch Probleme.<br />

Es muß so verteilt werden, daß alle Beteiligten, also Baumeister, Bauleute,<br />

Springer, Tänzer, Sänger und vielleicht auch Landbesitzer, sich adäquat entschädigt<br />

fühlen. In der Regel ein unmögliches Unterfangen.<br />

Tagebuchnotizen zu Organisator und Baumeister beim Gol na Tho im Jahre 2002<br />

Das erste von zwei Turmspringen des Jahres 2002 in Bunlap wird, da ich es ja erforschen und<br />

filmen will und dafür bezahlt habe, in den Augen der Sa „für mich“ veranstaltet und erhält<br />

deswegen auch den Namen Gol na Tho. 171 Obwohl ich mit 300.000 Vatu eine erkleckliche<br />

Summe für die Forschungs- und Dreherlaubnis an Chief Telkon in Port Vila bezahlt hatte, der<br />

insofern als „Veranstalter“ auftrat, gelangte nur ein sehr geringer Teil davon auch nach Bunlap,<br />

die Rede war von 20.000 Vatu. Es liegt auf der Hand, daß die meisten Männer in Bunlap<br />

nicht sonderlich begeistert sind, für eine in ihren Augen derart geringe Summe ein gol veranstalten<br />

zu sollen. Später fand ich heraus, daß es viele Männer sogar ausgesprochen abgelehnt<br />

hatten, einen Turm „für mich“ zu bauen, während das dafür bezahlte Geld von Chief Telkon<br />

in Port Vila ausgegeben wurde. Es bedurfte, auch das erfuhr ich erst später, der besonderen<br />

Überredungskunst von Warisus und Bebe Telkon, den beiden Söhnen von Chief Telkon, damit<br />

überhaupt ein Turmbau zustande kam. Es gelang ihnen schließlich, die Fußballmannschaft<br />

von Bunlap zu überzeugen, „für mich“ einen Turm zu bauen. Die Mehrzahl der Männer<br />

von Bunlap-Bena jedoch beteiligte sich nicht an den Bauarbeiten. Andererseits nahmen einige<br />

ältere Jungen aus dem benachbarten Pohurur gänzlich unbezahlt am Bau teil, weil sie, wie sie<br />

sagten, einfach Lust auf einen Turmsprung hatten.<br />

Warisus Telkon ist schon bei anderen gol als Organisator in Erscheinung getreten und übernimmt<br />

auch hier diese Rolle. Als Baumeister treten, neben Warisus selbst, auch der etwa 65-<br />

jährige Sali Molkat sowie der ebenfalls sehr gol-erfahrene ca. 63jährige Watas, der etwa<br />

50jährige Bong Lala und der ca. 48jährige Melsul Toka in Erscheinung. Die Stimmung während<br />

des Turmbaues ist fröhlich, ja ausgelassen, man macht Witze, scherzt, lacht und ist lokker<br />

und ungezwungen, ganz so, wie es dem egalitären Charakter der Sa-Gesellschaft entspricht.<br />

Andererseits liegt auch eine gewisse Spannung in der Luft, deren zukünftige Entla-<br />

171 Es ist ein angenehmer Zufall, daß eine Kurzform meines Namens <strong>Thorolf</strong>, „Tho“ lautet,<br />

der wiederum ein häufig gebrauchter Sa-Name ist.<br />

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