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Die Familie Ammer. Deutscher Sittenroman von Ernst Willkomm.

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— 117 —<br />

Wir Brüder verschmähen alle Eitelkeit der Welt, versetzte<br />

der Herrnhuter. Schmucklos, wie unser Herz vor<br />

Gott sein soll, muß es auch unsere irdische Hütte sein.<br />

Als sie den Betsaal betraten, begleiteten sie mehrere<br />

Brüder. Auch hier störte den jungen <strong>Ammer</strong>, obwohl<br />

er sich keine Rechenschaft darüber geben konnte,<br />

dies langweilige Grauweiß, das sich sogar bis auf Bänke<br />

und Sessel erstreckte. <strong>Die</strong> Tracht der Brüder paßte<br />

allerdings zu diesem farblosen Anstrich. Sie bildeten<br />

in ihren grauen Röcken den Schatten und bewegten<br />

sich wirklich etwas gespensterhaft in dem ansehnlichen<br />

Raume.<br />

Mein Gott, sprach Fürchtegott mit beklommenem<br />

Herzen zu sich selbst, wenn die wahre Frömmigkeit,<br />

wenn gottgefälliges, brüderliches Zusammenleben in<br />

dem besteht, was ich hier sehe, so muß unser lieber<br />

Herrgott ein außerordentlicher Verehrer der gähnendsten<br />

Langeweile sein. Wenn ich hier zwischen diesen<br />

vier weißen Wänden, unter diesen stillen, lammfromm<br />

und auch etwas albern aussehenden, schattenhaften<br />

Gestalten beten sollte, würde ich ohne allen Zweifel<br />

ein Langschläfer. Bei Gott, ich fühl’ es ordentlich, wie<br />

mir die Augen innerlich schon zufallen, und wie Alles<br />

um mich her eine laute Aufforderung zu herzhaftem<br />

Gähnen zu werden beginnt!<br />

Besser gefiel es dem jungen <strong>Ammer</strong> in den verschiedenen<br />

Werkstätten. Hier waren auch die Brüder<br />

menschlich zugänglicher, nicht umflossen <strong>von</strong> dem trüben<br />

Dunstschein, der sie jederzeit umgab, wenn sie <strong>von</strong><br />

Religion und Gottanbetung sprachen. War diese tiefe

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