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Die Familie Ammer. Deutscher Sittenroman von Ernst Willkomm.

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— 321 —<br />

Aber <strong>Ammer</strong>! rief Mirus in heftiger Aufregung; wie<br />

ist es möglich, daß Sie so grenzenlos verblendet sein<br />

können!<br />

Wenn ich es wirklich sein sollte, was ich noch nicht<br />

glauben kann, erwiderte der Weber, so muß es im Rathschlusse<br />

Gottes so vorher bestimmt sein. Dem Herrnhuter<br />

hab’ ich Unrecht gethan in frühern Jahren – ich<br />

legte Eis auf ein glühend heißes Herz und erkältete<br />

es damit. Der Mann erholte sich langsam, aber warm<br />

und freudig schlug sein Puls nie wieder. Daran war ich<br />

Schuld, Herr Mirus, und wäre ich ein Mensch gewesen<br />

<strong>von</strong> schwachen Gaben und leicht reizbaren Nerven,<br />

es hätte wohl sein können, diese meine eigene<br />

Rechte hätte für mich die Gestalt einer Teufelskralle<br />

angenommen und mir die Luftröhre zugedrückt, wenn<br />

ich bei schaurigem Mondlicht, wo Schatten und Nebel<br />

mit einander spielen und sich oft recht häßliche Gesichter<br />

schneiden, einsam durch’s pfeifende Rohr ging.<br />

Ich hab’s nicht gethan, Herr Mirus, und dafür preis’<br />

ich meinen Schöpfer. Der Herrnhuter aber ward still,<br />

fromm – Andere sagen ein Frömmler – er reichte mir<br />

die Hand, der ich den Glücksring abstreifte, noch eh’<br />

er es ahnte; er sprach zu mir: Bruder, die Lehre Christi<br />

schreibt vor: Liebe deine Feinde! Er legte meine kalte,<br />

zitternde Rechte auf sein matt klopfendes Herz, indem<br />

er mit wehmüthigem Lächeln sagte: Fühlst du, Freund,<br />

es schlägt schon wieder und wird bald ganz munter<br />

plaudern und springen, wie die Herzen aller andern<br />

Menschen. Liebe mich, wie ich dich liebe, und sei mein<br />

Freund! Da konnte ich nicht nein sagen, Herr Mirus,<br />

denn ich hätt’ es für eine große Sünde gehalten. Und<br />

seitdem hab’ ich dem Herrnhuter mit Vorsicht vertraut,

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