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Die Familie Ammer. Deutscher Sittenroman von Ernst Willkomm.

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würde man dadurch der Existenz entzogen, zu welcher<br />

ich verdammt bin. Wissen Sie, was es heißt, Herr<br />

Candidat, die Stimme eines geliebten Vaters täglich, oft<br />

stündlich zu hören, seinen bedauerlichen körperlichen<br />

Zustand zu kennen, und ihn doch nicht sehen, ihm<br />

keine Handreichung thun zu dürfen? <strong>Die</strong>s Loos, Herr<br />

Candidat, ist mir zugefallen. In seinem ersten Grimme<br />

hat der Vater geschworen, die Buben – so nennt er uns<br />

noch heute – die sein Haupt mit Schande bedeckt haben,<br />

in diesem Leben nie wieder sehen zu wollen. Sie<br />

kennen des Vaters eisenharten Sinn. Vielleicht reut ihn<br />

der Schwur, vielleicht gar quält er ihn, aber damit wird<br />

es doch nicht anders. Es sind zwei Monate vergangen,<br />

seit der schrecklichen Nacht und noch – noch habe ich<br />

den Vater nicht wiedergesehen!<br />

Ueber Christlieb’s eingefallene Wangen rieselten ein<br />

paar Zähren. Still faltete die Hände, hatte aber kein<br />

Wort des Trostes für den Unglücklichen. Endlich sagte<br />

er, weil ihm etwas Anderes nicht einfallen wollte: Wen<br />

Gott lieb hat, den züchtigt er!<br />

Ach, dann stehen wir sehr gut angeschrieben bei unserem<br />

Herrgott, erwiderte Christlieb bitter, denn seine<br />

züchtigende Hand ruht wahrlich schwer auf uns!<br />

Sie hatten jetzt den Corridor erreicht, auf welchem<br />

eine Reihe <strong>von</strong> Zimmern sich öffnete, man sah aber<br />

weder einen <strong>Die</strong>ner noch eine Magd, noch hörte man<br />

sonst ein Geräusch. Es war still wie im Grabe oder in einer<br />

Kirche. <strong>Die</strong> Tritte der beiden Männer hallten wider<br />

auf dem langen düstern Gange, den sie hinabschritten.<br />

Christlieb blieb stehen.<br />

Ich will jetzt wieder auf meine Warte steigen, sprach<br />

er. Dort orgelt mir der Sturm Melodieen vor, wie ich sie

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