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Die Familie Ammer. Deutscher Sittenroman von Ernst Willkomm.

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— 120 —<br />

ZWEITES KAPITEL. EIN LIEBESMAHL.<br />

Herrnhuter besitzen bekanntlich keine Kirchen, sondern<br />

nur sogenannte Bethäuser. <strong>Die</strong>se liegen gewöhnlich<br />

in der Mitte der Brüderorte auf freiem Platze, der<br />

in weltlich gesinnten Städten und Flecken Marktplatz<br />

heißen würde. Obwohl alle Herrnhuter ausschließlich<br />

vom Handel leben, dulden sie doch in ihren Niederlassungen<br />

keinen Marktlärm; Stille ist ihnen Lebensbedürfniß,<br />

im wie außer dem Hause. Sie handeln zwar<br />

eifrigst, sind sehr klug und vorsichtig, verschmähen<br />

weder Credit noch Gewinn, lärmend aber darf ein Geschäft,<br />

wobei sie sich betheiligen sollen, nicht sein.<br />

<strong>Die</strong>se charakteristische Liebhaberei an geräuschlosem<br />

Dahinleben spricht sich auch in den religiösen und<br />

socialen Zusammenkünften der »Brüder und Schwestern«<br />

aus. Das nur mit niedrigem Thürmchen versehene<br />

Bethaus ist schmucklos im Innern, einfach <strong>von</strong><br />

Außen. Ein Saal ohne allen Zierrath, mit weißgetünchten<br />

Wänden, ist zugleich Kirche und Gesellschaftslocal<br />

bei den halbkirchlichen Zusammenkünften der Gemeinde.<br />

Weiß, die Farbe der Unschuld und Anspruchslosigkeit,<br />

ist Lieblingsfarbe aller Herrnhuter. Deßhalb<br />

spielt Weißzeug nicht bloß eine Hauptrolle in der<br />

Kleidung der Schwestern, weiß angestrichene Tische,<br />

Stühle und Bänke findet man auch gewöhnlich in den<br />

Bethäusern der Herrnhuter.<br />

Als Fürchtegott an Wimmer’s Seite in den Saal trat,<br />

befiel ihn eine Art Beklommenheit. <strong>Die</strong>se schmucklose,<br />

nüchterne Leere drückte alpartig auf seine lebensfrohe<br />

Seele. Es kam ihm vor, als mache sich eine geheime,<br />

unsichtbare Gewalt in diesem Raume geltend, die Jeder<br />

unangenehm empfinden müsse, ohne daß er Kraft

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