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Die Familie Ammer. Deutscher Sittenroman von Ernst Willkomm.

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— 364 —<br />

Bis hierher hatte der junge <strong>Ammer</strong> gelesen, ohne<br />

einmal aufzublicken. Seine Pulse flogen, seine Augen<br />

glänzten. Eine geistige Aufregung, verbunden mit unklarer<br />

Leidenschaft, hatten sich so ganz des jungen<br />

Mannes bemächtigt, daß er weder sah noch hörte.<br />

<strong>Die</strong> liebreizende Gestalt der scheidenden Herrnhuterin,<br />

wie er sie beim Liebesmahle erblickte, gaukelte<br />

wieder vor seinen Augen. Nur erschien sie ihm jetzt<br />

in strahlender Lichtfülle. Nicht allein die Missionärin<br />

zog ihn an, die schon so Vieles erfahren, so Ungewöhnliches,<br />

das sie nur mit wenigen Federzügen andeutete,<br />

erlebt hatte, mehr noch fesselte ihn das Weib,<br />

das, ob auch tausend <strong>von</strong> Meilen entfernt, doch immer<br />

noch des Augenblickes gedachte, der sie ihm zuführte.<br />

Fürchtegott war geistig nicht mehr in Europa. Er wandelte<br />

am Quai <strong>von</strong> Paramaribo; er träumte die glücklichsten<br />

Zukunftsbilder unter rauschenden Palmen. In<br />

dieser Verzückung bemerkte er nicht, daß kurze Zeit<br />

ein spähendes Gesicht durch das <strong>von</strong> Weinlaub halb<br />

verdeckte Fenster blickte, daß später die Thür des Gemaches,<br />

in dem er weilte, leise geöffnet ward, und<br />

Wimmer vorsichtig eintrat. Fürchtegott, im Lehnstuhle<br />

des Grafen sitzend, kehrte der Thür den Rücken zu und<br />

hätte den schleichenden Herrnhuter nur im gegenüber<br />

hängenden Spiegel erblicken können, wenn seine Gedanken<br />

nicht eben an den Ufern des Surinam geweilt<br />

hätten.<br />

Wimmer glitt wie ein grauer kühler Schatten, den<br />

Kopf mit seinem gewöhnlichen breitkrempigen Hute<br />

bedeckt, bis dicht hinter den Stuhl des Lesenden. Hier<br />

blieb er, den Athem anhaltend, einige Augenblicke stehen,<br />

den Jüngling beobachtend. Als er sich überzeugt

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