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Die Familie Ammer. Deutscher Sittenroman von Ernst Willkomm.

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— 866 —<br />

schwarzen Mänteln? Möcht’ gern ’was Neues erfahren,<br />

weil mich das Alte so schwer drückt.<br />

Candidat Still trat, während <strong>Ammer</strong> diese Worte zu<br />

ihm sprach, hinter die spanische Wand und ward jetzt<br />

des ehemaligen Webers ansichtig. <strong>Die</strong> harten Schläge<br />

des Schicksals hatten den alten Mann körperlich noch<br />

nicht gebrochen. Er konnte freilich seine Gliedmaßen<br />

nicht mehr gebrauchen, er war älter geworden und hagerer,<br />

aber seine großen, blauen Augen blickten noch<br />

so feurig in die Welt, wie ehedem. Still erstaunte über<br />

den Kopf des Alten. <strong>Die</strong>sen Kopf würde ein Maler wunderbar<br />

schön gefunden haben, denn um das hagere,<br />

blasse Gesicht mit den markirten Zügen, dem festen,<br />

starken Kinn, dem hart zusammengekniffenen Munde<br />

ringelten sich ein paar dünne silberne Locken. <strong>Die</strong> hohe<br />

Stirn war kahl, denn sein starkes Haupthaar war<br />

dem alten Manne in den letzten zwei Monaten massenhaft<br />

ausgefallen. Er trug deßhalb den Kamm nicht<br />

mehr, sondern ließ die ihm noch verbliebenen Ueberreste<br />

flattern und sich kräuseln, wie sie eben mochten.<br />

Sehen Sie mich nicht so verwundert an, mein lieber<br />

Herr Candidat, sprach <strong>Ammer</strong>, die Befangenheit des<br />

<strong>von</strong> Natur so nüchternen Still bemerkend. Es ist mir<br />

<strong>von</strong> Herzen lieb, daß Sie meinen etwas altvaterischen<br />

Boten respectirt haben und zu mir kommen in meine<br />

Einsamkeit. Ich bin, was ja die Welt schon weiß, ein<br />

herunter gekommener Mann.<br />

Der Greis sah grimmig vor sich hin. Aus seinem Blick<br />

war alle Liebe, alle Milde gewichen. Er schien mit einem<br />

großen Entschlusse sich zu tragen.<br />

Unser Aller Herr und Gott wird Sie nicht verlassen,<br />

Herr <strong>Ammer</strong>, meinte der Candidat.

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