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Die Familie Ammer. Deutscher Sittenroman von Ernst Willkomm.

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— 353 —<br />

er fühlte, daß je nach dem heißeren Aufwallen oder<br />

dem stockenden Laufe des Blutes er bald erbleichen,<br />

bald erröthen müsse. Das Liebesmahl, die Abschiedsrede<br />

des greisen Bischofs, die stille, betende Schaar<br />

der Brüder und Schwestern, dann das Umwandeln der<br />

Scheidenden, ihr Aufblick zu ihm, ihr brennend heißer<br />

Kuß: Alles stand in so lebendigen Farben wieder vor<br />

ihm, als sei es erst gestern geschehen.<br />

Erdmuthe Gottvertraut, wiederholte er laut, den<br />

sonderbar schmeichelnden Namen wohl zehnmal lesend.<br />

Wie es ihr wohl ergehen mag! Ob sie glücklich<br />

ist, oder sich zurücksehnt nach dem Vaterlande, nach<br />

ihren Verwandten, nach der heimathlichen Luft und<br />

den heimischen Sitten?<br />

Er schlug ein Blatt um und das Wort »Tagebuch«, mit<br />

sichern festen Zügen geschrieben, sah ihn geheimnißvoll,<br />

verheißungsreich an. Sollte er starkmuthig oder<br />

gleichgiltig den Spiegel <strong>von</strong> sich werfen, aus dessen<br />

lockender Tiefe ihm das Bild einer neuen Welt entgegentreten<br />

konnte? Fürchtegott vermochte es nicht. Der<br />

Name des reizenden Geschöpfes, das ein paar Secunden<br />

lang an seinem Munde gehangen hatte, war ihm<br />

nicht fremd. Er hatte geistig Theil an ihrem Wohl und<br />

Wehe. Sie gehörte ihm an wie der Schatten, der nur<br />

im Licht uns sichtbar wird. Ein wunderbar heller Moment<br />

des Lichtes aber war es für ihn gewesen, als Erdmuthe<br />

Gottvertraut mit vielleicht unbewußtem Kusse<br />

als Schwester <strong>von</strong> ihm Abschied nahm. Ohne weiter zu<br />

fragen, ob es erlaubt sei, in die Geheimnisse eines Dritten<br />

einzudringen, begann Fürchtegott, Alles um sich<br />

her vergessend, die Tagebuchblätter der fernen Heidenbekehrerin<br />

zu lesen.

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