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Die Familie Ammer. Deutscher Sittenroman von Ernst Willkomm.

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— 125 —<br />

jungen Freundes lebhaft bewegte, erhob sich die jugendliche<br />

Herrnhuterin, um, <strong>von</strong> ihrem Beschützer geleitet,<br />

den Brüdern zugeführt zu werden. Denn vor einem<br />

solchen Abschiede, der für einen ewigen gelten<br />

konnte, war es Sitte, daß jedes Glied der Gemeinde<br />

den Bruder- und Schwesterkuß auf die Stirn der Scheidenden<br />

hauchte.<br />

Das volle Licht der Kerzen auf den Kronleuchtern fiel<br />

jetzt auf die schlanke, fein gebaute Gestalt, und als sie<br />

gegen die dunkle Reihe der Brüder vorschritt, erkannte<br />

Fürchtegott mit eigenthümlichen Gefühlen in der Missionärin,<br />

oder wie er die junge Herrnhuterin sonst etwa<br />

nennen sollte, die schwarze Dame, welche er Vormittags<br />

an dem ihm interessant gewordenen Grabsteine<br />

gesehen hatte.<br />

Unverwandten Blickes folgte er ihr auf dem <strong>von</strong><br />

der Sitte vorgeschriebenen Abschiedsgange. Je näher<br />

die Fremde ihm kam, desto befangener ward er, ohne<br />

einen Grund dafür angeben zu können. Jetzt trat sie<br />

zu Wimmer, der ihr in üblicher Weise den Abschiedskuß<br />

auf die Stirn drückte. Im nächsten Augenblicke<br />

stand die junge Person vor dem überraschten Jünglinge.<br />

Ohne aufzublicken reichte sie ihm die Hand.<br />

Fürchtegott ergriff sie aus reiner Verlegenheit. Sie war<br />

zart und warm, und ein leises Beben schien sich in<br />

die Nerven des so seltsam Ueberraschten einzuschleichen.<br />

Er drückte sie unwillkürlich und ohne zu wissen,<br />

daß er es that. Dabei sah er empor, und als habe die<br />

magnetische Berührung der Hände die Blicke beider<br />

einander gänzlich Fremder belebt, die Augen Fürchtegott’s<br />

und der Scheidenden begegneten sich. Der junge<br />

<strong>Ammer</strong> sah ein unbeschreiblich mildes, gottergebenes

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