06.01.2013 Aufrufe

Die Familie Ammer. Deutscher Sittenroman von Ernst Willkomm.

Die Familie Ammer. Deutscher Sittenroman von Ernst Willkomm.

Die Familie Ammer. Deutscher Sittenroman von Ernst Willkomm.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

— 860 —<br />

das zahlreich herumlagernde Bettelvolk, das man früher<br />

nie daselbst gesehen. Mit dem Sturze der Gebrüder<br />

<strong>Ammer</strong> hörte auf der Stelle alle Arbeit auf, und war es<br />

auch noch nicht erwiesen, daß das Geschäft gänzlich<br />

und für immer eingehen werde, so mußte es doch vorläufig<br />

auf längere Zeit sistirt werden, da das Gericht<br />

eingeschritten war.<br />

Aus allen Büschen sahen jetzt hungrige Gesichter. Jeder<br />

Wanderer auf der Straße wurde in flehendem Tone<br />

angesprochen, jeder Wagen <strong>von</strong> einem Trupp ärmlich<br />

bekleideter Menschen verfolgt, die alle um Gottes<br />

Barmherzigkeit willen um Almosen baten.<br />

Das Aussehen der meisten dieser Bittenden sprach<br />

schon für deren Bedürftigkeit. Es war nicht Scheu<br />

vor der Arbeit, welche diese Menschen in eine so beklagenswerthe<br />

Lage versetzte, sondern wirklich und<br />

zwar zu plötzlich eingetretener Arbeitsmangel. Fanden<br />

auch Einzelne durch Vermittlung Anderer ein Unterkommen,<br />

wie sie es wünschen konnten, die große<br />

Mehrzahl blieb im Augenblick unversorgt, und gerade<br />

diese lebten <strong>von</strong> der Hand in den Mund und hatten<br />

sich schon wenige Tage nach der Unterbrechung<br />

des großen <strong>Ammer</strong>’schen Geschäftes vollständig aufgezehrt.<br />

Candidat Still sah diese Verwandlung, diesen erschreckenden<br />

Wechsel irdischen Glückes mit tiefer Bekümmerniß.<br />

Der weich geartete Mann, der in seiner<br />

Einsamkeit wohl oft der Armen in ihrer Noth gedacht,<br />

nie aber dem Elend in das tief eingesunkene Auge geschaut,<br />

nie die abgezehrte Hand eines vor Hunger Verschmachtenden<br />

in der seinigen gefühlt hatte, war über<br />

diesen Anblick fast zu Thränen gerührt.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!