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Die Familie Ammer. Deutscher Sittenroman von Ernst Willkomm.

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— 226 —<br />

Ecke aber, wo der Vater <strong>von</strong> den Mühen des Tages ausruhte,<br />

regte es sich. Ihn hatten die kleinen Schreihälse<br />

aufgeweckt und er konnte, um der Gewohnheit ihr<br />

Recht zu geben, jeden Augenblick das Zimmer verlassen<br />

und seiner Tochter sehr zur Unzeit in den Weg treten.<br />

Flora wartete und hielt den Athem an. Es ward<br />

wieder still – dann hörte sie flüstern. Unarticulirte Töne<br />

trafen ihr Ohr.<br />

Gott Lob! sagte sie frohlockend. Vater betet; da hört<br />

und sieht er mich nicht.<br />

Und mit eiligen, hüpfenden Schritten glitt sie, in<br />

dunklen Ueberwurf gehüllt, an der braun gefärbten<br />

Holzwand fort und huschte unbemerkt zur Thür hinaus.<br />

Unfern der Treppe stand ein irdener Krug. <strong>Die</strong>sen<br />

ergriff Flora, schob den Riegel der Thür des Hauses zurück<br />

und stieg über vier hohe Granitstufen in den Garten<br />

hinab. Durch diesen schlangelte sich ein schmaler<br />

Fußsteig unter uralten Obstbäumen nach dem nahen<br />

Thale, in dessen Tiefe der muntere Bach durch Erlengebüsch<br />

der Mühle zueilte.<br />

<strong>Die</strong> Luft war still, der Himmel klar bis auf einen<br />

schmalen röthlichen Dunstsaum im Osten, der die Gebirgskämme<br />

neblich verdeckte. Flora gewahrte mit<br />

Vergnügen, daß die Sonne noch nicht aufgegangen<br />

war. Leicht und gewandt wie eine Gazelle hüpfte sie<br />

unter den noch laublosen Bäumen fort, an der Cisterne<br />

vorüber, und ehe noch zwei Minuten vergangen waren,<br />

spiegelte sich ihre schlanke Gestalt in der lächerlichen<br />

Verkappung, die sie angethan hatte, in der ewig<br />

beweglichen Kristallwelle des Baches.<br />

<strong>Ammer</strong>’s Tochter sah sich schüchtern um nach allen<br />

Seiten, um auch gewiß zu sein, daß Niemand sie

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