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Die Familie Ammer. Deutscher Sittenroman von Ernst Willkomm.

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— 845 —<br />

Morgen durch ein Ständchen begrüßt zu werden. <strong>Die</strong>s<br />

Ständchen brachten ihm die Arbeiter der Fabrik mit<br />

Beihilfe einiger aus Böhmen zu diesem Behufe verschriebener<br />

Musikanten. Der Greis war freundlich genug,<br />

aus dem Fenster zu sehen und auf das dreimalige<br />

Lebehoch seine Mütze zu ziehen. Auf’s Reden ließ<br />

er sich nicht ein. Es war ihm nicht so gut zu Muthe,<br />

als könne er viel Heiteres und Gutes sagen. <strong>Die</strong> Atmosphäre<br />

drückte ihn, und als er jetzt der vielen Flaggen<br />

ansichtig ward, die man ihm zu Ehren auf allen Gebäuden<br />

aufgepflanzt hatte, ward er düster und schweigsam.<br />

Er rief Erdmuthe und ließ sich <strong>von</strong> ihr vorlesen,<br />

anfangs weltliche Geschichten, später ein Kapitel aus<br />

dem Buche »Jesus Sirach«. Als Erdmuthe diese Lectüre<br />

beendigt hatte, fragte sie <strong>Ammer</strong>:<br />

Bist du heute Wirthin?<br />

Ich habe Fürchtegott versprochen, bei dem Feste<br />

nicht zu fehlen, versetzte sie, indeß verstehe ich zu wenig<br />

<strong>von</strong> diesen weltlichen Einrichtungen, um wirklich<br />

als Wirthin auftreten zu können. Dafür sind Andere bestellt,<br />

ich bin nur die Frau des Schloßherrn.<br />

Dann schmücke dich, meine Tochter, sagte der Greis,<br />

ihr sanft die bleiche Wange streichelnd. Schmücke dich<br />

recht ordentlich, da wir heute doch ganz und gar weltlich<br />

sein müssen. Du wirst deinen Gatten dadurch erfreuen<br />

und nicht ein Ziel für Spötter werden.<br />

Wenn du es wünschest, bester Vater, so will ich mich<br />

schmücken, obwohl der Magd des Herrn, deren Herz<br />

voll Sorgen, voll Bangen und Zagen ist, die Gewänder<br />

der Baalskinder eine schwere Last sein werden.<br />

Erdmuthe ging und schmückte sich. Als sie abermals<br />

in <strong>Ammer</strong>’s Zimmer trat, hätte sie der Greis beinahe

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